Der Goldschmied
Augenbrauen. All jene, die ihn näher kannten, wussten, dass nun kein falsches Wort mehr fallen durfte, sonst war es ein Leichtes, sich den Zorn des Lombarden zuzuziehen.
Der Bote sprach weiter. »Der Mönch schied in Sünde aus dem Leben, allein und ohne fremde Hilf. Knechte fanden ihn erst vor einer Weile. Denn der alte Mönch ward von niemandem vermisst.«
»Tot?«, fragte Urban düster.
Der Mann nickte.
»Er legte selbst Hand an sich …?«, murmelte Urban ungläubig.
Seine Stimme klang düster, und der Bote bemerkte, wie der Lombarde einen plötzlichen Zorn nur mühsam unterdrückte.
»Ja, Herr! Er erhängte sich mit seiner Leibschnur an einem Baum.«
Mit einem lauten Ruf strich der Falke tief über das Feld.
Seine Fänge waren leer, nur das lederne Geschüh flatterte in der Bewegung des Windes. Mit einem kurzen Manöver landete er wieder auf der Hand des Falkners.
Urban winkte ab. Für heute war es genug. Der Falke sträubte sich noch einen Moment gegen die dünne, lederne Haube, die den Kopf verhüllen sollte. Blitzschnell hackte der scharfe Schnabel nach der Hand des Falkners. Doch der war geübt und wich dem Hieb aus. Die Haube über dem Kopf, blieb der Raubvogel ruhig und unterließ das nervöse Aufflattern und den Versuch, fortzufliegen. Der Falkner schritt zurück zu den wartenden Knechten unter der Baumgruppe. Urban hatte über den Wald geblickt und mehrere Male die Luft eingesogen. Er war betroffen und zugleich zornig. Wohl nicht so sehr über die Nachricht, eher, weil er zu spät gekommen war.
»Wo ist Fresenius van Straaten?«, fragte er den Mann.
»Er reiste gestern früh, noch bevor der Hof erwachte.«
»Er ist fort?« Urban schüttelte ungläubig den Kopf.
Der Bote nickte nur. Der Mann verschwand jetzt, wo die Wahl eines Nachfolgers anstand?
»Der Gesandte des Heiligen Vaters reist fort, und niemand bei Hof merkt es? Soll ich dies glauben?«, fragte Urban wütend.
Die Frage galt wohl allgemein und war weniger an den Boten gerichtet, der die Schultern straffte.
»Herr! Niemand wagt es, den Ersten der heiligen Inquisition nach seinem Wohin zu fragen.«
Urban von Scarfeta nickte nur mit dem Kopf. Natürlich war ihm dies bekannt. Er bemühte sich, seiner Frage die Schärfe zu nehmen. »Wer begleitete den Mann?«
»Er reiste allein, Herr. Er nahm nur einen Waffenknecht mit sich. Und zwei Pferde, welche seine eigenen.«
Urban verstand dies alles nicht. Dieser gefährliche Gegner gab so einfach auf und überließ ihm das Feld? Das konnte er nicht glauben. Hatte dies mit dem plötzlichen Tod des Mönches zu tun?
»Was geschah mit dem Leichnam des Mannes, der Saulus genannt wurde?«, wollte er wissen.
»Man hat ihn gleich begraben.«
»Wozu die Eile?«
»Der Leichnam faulte schon. Rabenvögel gaben ihm den Rest. Kein schöner Anblick.«
Urban von Scarfeta bekreuzigte sich und murmelte ein paar lateinische Worte.
»Rabenvögel? Wo fand man ihn?«
»Er hing im Garten, dort, wo Clemens gerne saß, um die Novizen zu lehren.«
»Im Garten«, murmelte Urban. »Ein schöner Ort, nicht wahr?«
»Ja, Herr, ein schöner und friedlicher Ort«, antwortete der Bote.
Im Namen der heiligen Inquisition
»So viele Dinge sind uns Menschen verwehrt,
weil ängstliche Seelen sie uns nicht schauen lassen wollen.
Gott hat mehr Geduld mit uns als unsere Mitmenschen.
Nur das Ergebnis ist, was zählen soll!«
Wachen, Wahrnehmen, Denken sind höchste Lust,
ebenso Hoffnungen und Erinnerungen.
Aristoteles
Es war spät am Abend. Faustino beeilte sich, ein weiteres Wachslicht zu holen. Denn dies war der Wunsch seines Herrn.
Sein Herr, ein Faber aurifex, ein Goldschmied, war noch sehr jung und von angenehmem Wesen. Ein Inglese, einer jener Inselbewohner, die Normannisch oder Gälisch sprachen. Laute, die schwer zu verstehen waren und nichts gemein hatten mit der melodischen Sprache der Menschen hier. Der apulische Dialekt, womit man sich hier in der Gegend um Rom genauso häufig verständigte wie mit alltäglichem Latein, war eine Sprache wie die Menschen und das Land hier: heiter, lieblich und gleichzeitig voller Lebendigkeit, wenn es ein Geschäft oder ein geschickter Schachzug verlangte.
Diese Sprache, ebenjenes Latein, sprach er ebenfalls, ja sogar recht gut, der Faber. Dazu war der Inglese ein angenehmer Herr. Nie böse oder ungerecht, nie laut oder gar von jener Launenhaftigkeit, wie sie manchem Herrn eigen war. Nein, Signore Gwyn Carlisle war ein echter Glücksfall für ihn, den Diener
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