Der Goldschmied
Faustino Rezzo. Er wollte alles tun, um lange in diesen angenehmen Diensten verbleiben zu können.
Der Faber wollte verreisen. Und er, als sein Diener, sollte ihn begleiten! Welch eine herrliche Vorstellung. Mit einer Galeasse von Rom über das Meer bis nach Alexandria. Eine lange Reise. Nicht ungefährlich. Von Sizilien an war das Mare mediterranee nicht mehr sicher. Hier begann das Territorium griechischer wie sardischer Piraten, und der Krieg zwischen Genua und den Mauren forderte eine gehörige Portion Mut von jedem Reisenden.
Mit einem frischen Wachslicht in den Händen trat Faustino gebückt aus der niedrigen Türöffnung in der Wand. Dahinter befand sich eine schmale Kammer, diese diente als Vorratsraum und Schlafkammer. Im schwachen Dämmerlicht des Ganges sah er den Lichtspalt unter der hölzernen Türe hindurchscheinen. Unermüdlich war der Faber. Wie jeden Tag schrieb und zeichnete der Meister bis spät in die Nacht in ein dickes Buch.
Aber Faustino sah noch etwas anderes.
Eine Gestalt, mit einem Umhang bekleidet, stand dort an der Türe, so als warte der Unbekannte auf jemanden. Faustino wollte fragen, was jener hier wollte. Aber bevor er an den Fremden auch nur eine Silbe richten konnte, spürte er einen blitzschnellen Streich an seinem Hals. Von einem Moment auf den anderen gelang es ihm nicht mehr, Luft zu holen, um zu atmen. Er spürte auch einen Schmerz, aber der war nicht so streng wie das Gefühl der Atemnot, das immer größer wurde und ihn nach seiner Kehle greifen ließ. Er fühlte einen warmen nassen Strom. Und er wusste, dies war sein eigenes Blut. Er sah es nicht, sondern spürte es nur, wie es zwischen seinen Fingern bis zu den Handgelenken herunterrann und auf seine nackten Füße tropfte. Das Licht war ihm aus der Hand zu Boden gefallen und verloschen.
Er wollte schreien. Dazu aber reichte ihm die Kraft nicht mehr. Faustino fiel zu Boden. Aber noch immer sahen seine Augen. Der Mann dort kam näher, so als ob er es nicht eilig hätte. Er trug Sandalen, wie ein Mönch …
»Stell mir das Licht hierher, und dann geh zu Bett«, murmelte Gwyn, ohne den Kopf von seiner Arbeit zu heben.
In seine Gedanken versunken, saß er vor einem breiten Tisch, der bedeckt war mit Skizzen und Zeichnungen, Entwürfen und Plänen. Seit Tagen kopierte er so viel wie nur möglich in ein dickes Buch. Die Fülle der Pläne, all die Eindrücke konnte er nicht mitnehmen. Gesammelt in jenem Buch, wären all die Gedanken und Ideen festgehalten und nur eine kleine Bürde bei seiner weiten Reise nach Alexandria.
»Der Name Jesu Christi sei heilig für alle Zeit!«
Der Besucher sprach die Worte in Englisch, und seine Stimme klang sanft und keineswegs unangenehm.
Gwyn hob ein wenig den Kopf. Er wandte sich dabei jedoch nicht um. Dies war nicht nötig, denn diese Stimme kannte er. Niemals würde er sie vergessen können.
Fresenius van Straaten …
Erst jetzt wandte Gwyn seinen Kopf langsam zur Türe. Im letzten Schein des Lichtes trat die verhasste Gestalt des Wallonen herein. Der Goldschmied sah, der Mönch war nicht allein. Ein Waffenknecht begleitete ihn. Er wollte neben van Straaten treten, so als traue er dem reglos sitzenden Faber nicht. Aber Fresenius hielt ihn mit einer Geste zurück. Leise trat er selbst an den Tisch und stellte das frische Wachslicht neben das fast niedergebrannte. Gwyn hatte all die schlimmen Gedanken an diesen Mann verdrängt. Obwohl er wusste, dass Fresenius van Straaten lebendig und bedrohlich geblieben war in all den Jahren, schien ihm auf einmal jene unglückselige Nacht in London so deutlich, als wären die Ereignisse gerade erst geschehen. Auf einmal sah er es wieder, das brennende Haus an der Themse, in dem er seinen Freund und Lehrer verlor …
Gwyn fasste sich und sprach, ohne den seltsamen Besucher dabei anzusehen. »Ich seh, Ihr seid nicht allein. Aber auch die Häscher waren nicht allein, als sie Jesus Christus auf Golgatha hafteten.«
Gwyn bemühte sich, seine Stimme nicht zittern zu lassen.
Fresenius lächelte still. Es schien ihn zu amüsieren, wie der Faber sich zu beherrschen wusste.
»Die Gassen Roms sind nachts noch unsicherer als des Tags«, entgegnete der Wallone.
»Es ist immer nur Gesindel, welches scheut das Tageslicht«, entgegnete Gwyn ruhig.
Die Beleidigung traf. Für einen Moment hatte van Straaten sein stilles Lächeln verloren. Gwyn sah, wie seine Augen für einen Moment aufblitzten und der Mund zuckte, so als ob er ein ähnlich böses Wort
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