Der Goldschmied
schießt nicht, Angsthase! Der Bogen ist viel zu schwer für dich. Wirst dir gleich dein Wams vollscheißen.« Er wandte sich an den Zwerg, der zu seinem bösen Grinsen zurückgefunden hatte. »Mog, nimm ihm seinen Tand weg. Schlag’s ihm um die Ohren. Aber tu’s mit Weile …«
Mog leckte sich wieder über seine Lippen. Katzengleich sprang er auf die Beine und duckte sich. Wie gezaubert, hielt auch er plötzlich einen Dolch in der Hand. Mit kurzen, schnellen Schritten sprang er auf Gwyn zu.
Es geschah ganz wie von selbst.
Der Pfeil traf den Mann im Sprung und fuhr ihm durch den Hals. Im Nacken trat die Spitze und ein Teil des Schaftes wieder heraus. Mog blieb mitten im Schritt für einen Moment stehen, wollte mit beiden Händen an seine Kehle greifen, was ihm nicht mehr gelang. Er fiel schwer zu Boden, wo er reglos auf sein Gesicht schlug.
Mit einem wilden Fluch stürzte sich nun auch der Anführer auf Gwyn. Aber der hatte noch keine drei Schritte getan, als ihm der zweite Pfeil genau in die Brust fuhr. Der Treffer klang wie ein fester Hieb auf einen hölzernen Kasten. Blitzschnell hatte Gwyn einen dritten Pfeil aufgelegt. Aber ein weiterer Schuss war nicht mehr nötig. Die anderen zwei Männer waren wie ein Blitz im Unterholz verschwunden.
Gwyn sprang ihnen nach, aber der Wald hatte sie längst verschluckt. Sein Herz schlug heftig. Erst jetzt nahm er langsam den Pfeil von der Sehne. Er trat zu Cornelius und half ihm auf. Der verzerrte das Gesicht vor Schmerz. Der Hieb des Anführers hatte ihn wohl böse getroffen.
»Gwyn, junger Freund. Erlaubt mir … mein Gott, welch ein Schuss … Schneller, als ein Mann schauen kann. Wer lehrte Euch solche Schießkunst?«, ächzte Cornelius.
Gwyn antwortete nicht. Er setzte sich und zwang sich, die zwei Toten nicht anzusehen. Cornelius hatte sich schwer atmend neben ihn gesetzt. Nach einer Weile legte er ihm die Hand behutsam auf die Schulter.
»Dank Euch, Faber. Ihr bewahrtet mich vor großem Übel.«
Gwyn nickte nur.
Es schien ihm alles wie ein böser Traum, und doch war es passiert, kaum ein paar Atemzüge vorher.
Eine Weile sprachen sie beide nichts. Der Wind wurde stärker. Die frische Brise ließ die Bäume ringsum rauschen. Es roch mit einem Mal nach frischer Erde.
»Es war das erste Mal auf solch Gesindel, nicht wahr, Faber?«, fragte Cornelius behutsam.
Gwyn schwieg.
»Grämt Euch nicht, war Gottes Wille.«
Gwyn fiel es schwer, dies zu glauben. Er stand auf und ergriff eines der liegen gebliebenen Messer, kniete nieder und grub den Boden auf.
»Was macht Ihr da?«, fragte Cornelius verwundert.
»Ich begrab sie, als wenn’s Christenmenschen wären.«
Cornelius beobachtete ihn einen Moment. Dann ließ auch er sich mit einem Schmerzenslaut nieder. Schnell sammelte er seine verstreut liegenden Bücher ein und packte sie behutsam zurück in seinen Reisesack. Dann nahm er den zweiten Dolch und begann ebenfalls zu graben. Stumm hoben sie eine breite, flache Grube aus. Cornelius war ins Schwitzen geraten. Er schien noch immer Schmerzen zu haben. Immer wieder hielt er für einen Moment inne und tastete an seiner Seite.
Am Boden seltsam verkrümmt lagen die beiden Toten. Die ersten Fliegen flogen mit dumpfem Brummen auf. Gwyn unterdrückte einen plötzlich aufkommenden Ekel. Mogs Gesicht war unter all dem verkrusteten Blut und dem Schmutz auf dem Waldboden nicht mehr zu erkennen. Die Augen des Anführers dagegen starrten selbst im Tod noch immer voller Verblüffung, so als könne er es selbst jetzt noch nicht glauben, dass der Junge geschossen hatte.
Cornelius ergriff jeweils das eine, Gwyn das andere Bein der Toten. Gemeinsam schleiften sie die Körper in die Grube. Sie legten beide Leichen nebeneinander und begannen rasch, Erde darauf aufzuschichten. Zum Schluss trat Gwyn die Erde fest. Sonst würden Füchse die Toten leicht wieder ausgraben.
Cornelius nahm sein Bündel auf. Auch Gwyn ergriff sein Gepäck und überprüfte seine Waffe.
»Hättet Ihr Euch für Eure Bücher töten lassen?«, fragte er plötzlich mit bitterer Stimme.
Einen Moment hielt der Gelehrte inne. »Weiß nicht, Faber. Ist doch voller Wissen, jedes Buch. Und Wissen soll triumphieren über jeden bösen Geist.«
Gwyn entgegnete nichts. Er hatte nur dieses quälende, würgende Gefühl im Hals. Nur kurze Zeit war es her, seit er das Leben von zwei Männern gewaltsam beendet hatte. Daran musste er sich erst gewöhnen.
Fast eine Stunde waren sie zusammen schweigend marschiert. Noch
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