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Der Goldschmied

Der Goldschmied

Titel: Der Goldschmied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Mueller
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zum Handel nach Bath und weiter an die Küste wollten.
    Gegen Mittag erreichten sie das südliche Stadttor. Es warteten bereits eine ganze Reihe Menschen geduldig auf Einlass. Das Tor war geschlossen. Dies war ungewöhnlich für diese Tageszeit.
    So reihten sich die drei Männer am Ende der Wartenden ein, bereit, bis die Torwache sie einließ. Aber dort machte niemand Anstalten, irgendjemanden passieren zu lassen. Bald sammelten sich immer mehr Menschen an. Unmut machte sich breit. Die Menge verlangte Auskunft darüber, warum das Stadttor am helllichten Tag geschlossen blieb. Bald machte das Gerücht die Runde, dass auch die anderen Stadttore geschlossen waren. Es sah aus, als ob bald die ersten Steine gegen die Torwache fliegen würden. Cornelius beschloss, es mit Höflichkeit zu versuchen. Er schritt, ohne auf das Murren der Leute zu achten, an der Menschenmenge vorbei. Gwyn und Fletcher folgten ihm. Vor dem Anführer der Torwache blieb Cornelius stehen.
    »Gottes Gruß, Gevatter. Sagt, warum lasst Ihr niemanden ein?«
    Die höfliche Frage und das würdevolle Auftreten des Gelehrten schienen den Torknecht zu verwirren. Erst brummte er irgendetwas Unfreundliches, dann polterte er auf einmal los. »Befehl des Magistrates von Bath: Niemand darf in die Stadt, der nicht Essen bei sich hat für wenigstens sieben Tage. Oder genug Geld, um solcherlei zu bezahlen.«
    Cornelius nickte und antwortete darauf mit derselben Höflickeit. »Dann müsst Ihr uns einlassen, Waffenmeister. Wir haben von beidem genug. Essen wiewohl auch Schillinge.«
    Gwyn war Cornelius’ Sicherheit nicht geheuer. Der gelehrte Mann flunkerte doch zweifellos. Gwyn war sich ganz sicher, dass Cornelius nicht mehr genug Geld hatte, um nur einen Tag selbst satt zu werden. Schon begannen ein paar der Umstehenden zu murren, die Zeugen der kurzen Unterredung waren.
    »Sehen nicht so aus, als könnte auch nur einer sein Fressen bezahlen.«
    »Lügenbande!«
    »Seht euch nur das einfach’ Wams von diesem Kerl an!«
    »Das sind Habenichtse, alle drei!«
    »Lasst alle ein oder niemanden!«
    Die Wartenden begannen, wütend durcheinanderzuschreien, und drängten näher an den Torwächter heran. Der Knecht wollte keinen Streit. An seinem schwitzenden Gesicht sah man ihm an, wie sehr ihn diese Situation herausforderte. Ein weiterer Torwächter trat hinter einem wartenden Ochsenkarren hervor. Der Mann zog sein Wams straff, das von einer dicken Schnur um den Bauch herum gehalten wurde. Er hielt einen kurzen, schweren Wurfspieß, so wie man ihn auch zur Hirschjagd benutzt. Plötzlich senkte er die Waffe und trat den zuvorderst Stehenden mit festen Schritten entgegen. Dazu machte er ein paar drohende Bewegungen mit der Waffe, so als wolle er gleich angreifen. Sofort drängte die schimpfende Menge zurück. Mit einem lauten Geräusch spuckte der Mann auf den Boden und drehte sich zu den drei wartenden Männern um.
    »Niemand darf in die Stadt, der nicht Essen bei sich hat für wenigstens sieben Tage. Oder genug Geld, um solcherlei zu bezahlen.«
    »Dies hörten wir, und ich …«, antwortete Cornelius freundlich.
    Der Wächter unterbrach ihn. »Ihr sagt, Ihr könnt bezahlen. So nennt mir erst einmal Euren Stand.«
    Cornelius deutete erneut eine Verbeugung an.
    »Oh, ich vergaß. Ich bin Cornelius van Brunschwigg und komme aus Stratford. Dies sind meine Reisegefährten. Ich nehme Unterkunft im ersten Gasthaus von Bath und meine Gefährten ebenso. Ich bin Lehrer.«
    Die umstehende Menge hatte neugierig zugehört. Als Cornelius seinen Beruf nannte, fingen alle ringsum an zu lachen. Die noch eben gespannte Situation schien auf einmal gelöst.
    Der Kriegsknecht spie erneut vor ihnen auf den Boden. »Lehrer können wir am allerwenigsten gebrauchen«, knurrte er unhöflich.
    Die Menge war von Cornelius und seinem höflichen Benehmen amüsiert. Kaum einer der Umstehenden hatte ein Handwerk erlernt oder gehörte einem vermögenden Stand an. Es waren einfache Leute ‒ Knechte, Tagelöhner, Unfreie. Lehrer waren in den Augen dieser Menschen jene Zeitgenossen, die nicht durchs Land ziehen mussten, sondern abgeschieden hinter Kloster- oder Burgmauern ein scheinbar angenehmeres Leben führten.
    »Was habt Ihr da in Eurem Sack?«, knurrte der Anführer und deutete mit dem Spieß auf Corneliusʼ Reisesack.
    »Bücher, mein Herr, und …«
    Cornelius sprach nicht weiter, denn die Menge brach in wildes Gelächter aus. Die Leute genossen die kleine Einlage sichtlich.
    »Bücher?«,

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