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Der Goldschmied

Der Goldschmied

Titel: Der Goldschmied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Mueller
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herzustellen.
    Allmählich setzte die abendliche Dämmerung ein, und im Wald ringsumher begann es bereits, dunkel zu werden. Während Cornelius dem Bier weiter zusprach, führte Fletcher den jungen Faber in seine Hütte. Dort hatte der Pfeilmacher seine Werkstatt eingerichtet. Im Schein eines Wachslichts erkannte Gwyn einen kleinen Schmelzofen, kunstvoll gebaut, im Eck ein Bündel langer Hölzer, ein halbes Dutzend lederne Beutel voll Federn. Dazu verschiedene Schnüre, alle sauber aufgerollt auf kleinen hölzernen Spulen. Auf einem Tuch am Boden lag eine Auswahl scharfer Messer, ein feiner Drillbohrer, eine kleine Axt und verschiedene Stecheisen. Mit dieser Ausrüstung fertigte der Flatheur Pfeile für britische Bogen.
    »Kein Pfeil ist nur ein Stück Holz. Ein jeder hat seine eigene Verwendung. So gibt es Kriegspfeile und solche für die Jagd.«
    Gwyn griff nach einem mehr als armlangen Pfeil.
    »Was Ihr da habt, ist ein Turnierpfeil. Gut für Strohscheiben. Die Spitze ist lang und nicht besonders scharf«, erklärte Fletcher.
    Gwyn wog den Pfeil in seiner Hand. Er schien ihm federleicht und doch robust.
    »Solch Pfeile sind leicht, damit sie lange fliegen. Das Holz ist Esche. Hart und sehr zäh. Sonst verbiegt sich der Stock nach dem Schuss, und seine Richtung bleibt nicht fein«, erklärte Fletcher. Er hielt Gwyn einen weiteren Pfeil hin. »Seht her, alle Federn an der Nocke haben selbe Länge, selbes Maß. Der Wind streicht fein daran vorbei. Der Pfeil bleibt gerade bis zum Ziel.«
    Fletcher zeigte der Reihe nach eine Auswahl seiner besten Pfeile. In London hatte Gwyn oft Pfeilmacher auf dem Markt gesehen, die dort ihre Ware verkauften. Aber über ihre Arbeit hatte er nichts gewusst. Die bewundernden Blicke des Jungen verrieten dem Pfeilmacher, worauf Gwyn wirklich Lust hätte.
    »Wollt Ihr ein paar meiner Pfeile ausprobieren?«
    Gwyn nickte eifrig. Fletcher erklärte ihm fachmännisch, worauf er beim Kauf von Pfeilen achten müsse.
    »Der Schaft sei immer lang und gerad. Haltet ihn hier vors Aug und prüft den Wuchs. Seht auf die Federn hier. Sauber verklebt müssen sie sein, mit warmem Harz von Fichten oder Birken. Ich misch etwas Kohlenstaub bei. Schnuppert nur, Ihr könnt es leicht riechen. Sie halten Kälte und große Hitze aus. Die Spitze ist wohl das Wichtigste. Achtet immer auf glatten polierten Stahl, der in Entenfett getaucht ist. Nie nehmt kupferne oder solche aus Bronze. Sie altern schnell und zerbrechen.«
    Über diesen Erklärungen war es längst dunkel geworden. Fletcher lud die beiden Reisenden ein, die Nacht in seiner kleinen Hütte zu verbringen. Er zündete ein Feuer in dem Schmelzofen an, das bald ein helles Licht und eine gemütliche Wärme abgab. Bei einem Stück Brot für jeden und einem zweiten Krug voll Schwarzbier vertrieben sie sich die Zeit mit dem Erzählen von Geschichten, so lange, bis sie müde waren und in Mäntel und Decken gehüllt einschliefen.
    Am nächsten Morgen weckte sie die Sonne. Gwyn erwachte als Erster, gefolgt von Fletcher, der sich nur kurz streckte und dann einige Pfeile in Gwyns Köcher schob. Gwyn nickte nur. Der Pfeilmacher schien nicht vergessen zu haben, was ihn jetzt gar zu sehr drängte: seine Schießkunst mit diesen Pfeilen versuchen. Cornelius lag, den Kopf auf seinem Büchersack gebettet, in seinen weiten Umhang gewickelt und schlief.
    Fletcher führte Gwyn durch einen Buchenhain zu einem großen weiten Feld. An dessen Rand blieben sie stehen. Gwyn überprüfte seinen Bogen und bandagierte sich den Unterarm mit einem Stück Leder. Fletcher beobachtete ihn aufmerksam.
    »Ein Langbogen«, entgegnete er.
    In seiner Stimme klang ehrliche Bewunderung.
    Gwyn nickte.
    »Mein Oheim«, begann Fletcher zu erzählen, »Gott hab ihn selig auf alle Zeit, war Pfeilmacher beim Earl von Connaught. Bei dessen Feldzügen sah er einmal eine Reihe Schützen mit einem Langbogen schießen. Sie kämpften gegen rebellische Pikten, welche in der Überzahl. Sie drängten die Männer des Earls immer weiter zurück. Da befahl ein Signal den Rückzug. Ein Einziger der Bogenschützen hatte jenes wohl nicht gehört. Er blieb allein zurück und schoss auf die Angreifer. Keinem von ihnen gelang es, nah genug an den Schützen heranzukommen. Mein Oheim sagte, der Mann schoss noch, als ihn die Pikten umzingelten und mit langen Spießen zu Fall brachten.«
    »Was geschah mit ihm?«
    »Sie erschlugen ihn.«
    »Und sein Bogen?«
    »Zerbrochen. Die Pikten sind Heiden.«
    Fletcher ergriff einen

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