Der Goldschmied
öffnete, roch er das feine Duftwasser, das die Lady gerne benutzte. Die Frau kniete auf einer prächtig geschnitzten Bank und hatte andächtig die Hände gefaltet. Als er eingetreten war, sagte sie nichts. Sie wandte sich auch nicht um. Sie schien zu wissen, dass er eingetreten war.
Gwyn zögerte.
War es erlaubt, mit ihr ein Gebet zu sprechen? Er wusste es nicht, und in diesem Moment wollte er auch gar nicht wissen. Nur tun wollte er dies, bei ihr sein, nahe, so nahe wie noch nie in all der Zeit, seit er mit ihr unter demselben Dach lebte und sie doch so selten sah.
Er kniete neben ihr nieder.
Erneut bemühte er sich, sie nicht anzusehen. Ihm kam es wie eine Ewigkeit vor, aber er wagte nicht, irgendein Geräusch zu tun, geschweige denn, ein Wort an sie zu richten. Bis sie plötzlich sprach.
»Ihr wolltet mir Euren Dank aussprechen, so sagte es der Junge. Dies ist ein guter Ort. Gott selbst ist Zeuge bei allem, was Ihr sagt.«
Ihre Stimme klang zart, aber von jener Neugier, die ihm riet, genau überlegte Worte zu sprechen.
»Ich … ich danke Euch, Lady Borden, für das Geschenk. Ich danke Euch sehr!«
Es war still in der Kapelle, und Gwyn spürte, wie sein Herz schlug.
»Ich ließ es mir nicht nehmen, Stoff und Garn selbst auf dem Markt auszuwählen. Aber ich glaube, ich bin keine gute Näherin«, sagte sie plötzlich.
»Nein, liebe Frau, jetzt irrt Ihr Euch.«
»Glaubt Ihr?«, meinte sie und fügte mit einem gespielten Tadel dazu: »Ihr habt mein Geschenk noch keinmal getragen.«
Gwyn schluckte, und er fühlte, wie trocken sein Mund auf einmal war. Sollte er ihr wirklich den Grund sagen, warum er ihr Geschenk nicht trug?
»Lady Borden, es ist das schönste Geschenk, was ich je erhalten.«
»Aber Ihr tragt es nicht«, sagte sie, und es klang wirklich ein wenig, als wäre sie gekränkt.
»Der Grund dafür ist …« Er stockte und überlegte, wie er weiter antworten sollte.
»Ja …?«, fragte sie leise.
Gwyn roch den feinen Duft von Wachs, und er wunderte sich, wie kräftig dieser Geruch war.
»Ich trag es nur, wenn ich allein in meiner Kammer. Dann trag ich etwas, was von Euren Händen wurd berührt, ja gehalten viele Stunden lang. Dies Hemd ist mir ein teurer Schatz.«
Er fühlte sein Herz schlagen und glaubte fast, sie müsste es hören.
»Was Ihr da sagt, tut auch der Ritter Gahmured mit einem Hemd seiner Liebsten. Ehe er in die Feldschlacht zieht, zieht er ihr feines Hemd über seine Rüstung. Und kommt er heim, dann erhält sie es zurück, voll Schweiß und Blut. Und dann trägt sie es wieder, als Beweis einer tiefen Lieb«, entgegenete sie leise, und in ihrer Stimme war auf einmal etwas, das ihn ermutigte, weiterzusprechen.
»Ihr seid meine Lady«, antwortete er fest. Er wartete nicht darauf, dass sie nun etwas sagte, sondern sprach weiter. »Will Euch dienen zu aller Zeit, und wenn ich auch kein Ritter so wie Gahmured bin, so dien ich Euch doch mit allem, was Ihr wünschet von mir.«
Jetzt war es heraus, auch wenn er wusste, dass er nicht alles gesagt hatte. Aber er baute auf die Feinfühligkeit dieser schönen Frau, die aus seinen Worten das auswählte, was wichtig war für dieses heimliche Geständnis.
»Das ehrt mich, Master Gwyn. Ich danke Euch für Euren Beweis der Treue.«
Er hörte nur, wie sie sich erhob, ihr Kleid raschelte. Sie beugte sich sanft über ihn, und er roch den Duft ihrer Haut, ihres Haars. Inständig hoffte er für einen Moment, sie würde ihn küssen …
»Betet noch ein wenig, und dann kommt zu mir«, sagte sie sanft.
Gwyn hörte ihre Schritte, spürte einen kurzen Luftzug, und dann hatte sie die Kapelle verlassen.
Betet noch ein wenig, und dann kommt zu mir.
Gwyn jubelte innerlich, und er wusste zugleich, alles, was jetzt passierte, war neu für ihn. Er würde seinen Verstand brauchen, um zu unterscheiden, was statthaft war und was verwerflich.
Er betete zu Ende, so wie sie es ihm gesagt hatte.
Ganz sacht klopfte er an ihrer Kammertüre, in der Angst, man könnte dieses Geräusch im übrigen Hause hören.
Sie rief kurz, er solle eintreten.
Dies tat er und schloss die schwere Türe hinter sich. Er befand sich in einem weiten, sehr niedrigen Raum, der warm und gemütlich wirkte. Da standen ein Spinnrad und ein Webstuhl. Eine Laute lag auf einem prächtigen Sessel.
Dazu erspähte er zwei feine Truhen und ein mächtiges Bett. Alles in diesem Raum war fein, prächtig und gediegen und bezeugte die Wohlhabenheit des reichen Goldschmieds Randolph
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