Der Goldschmied
Borden.
»Tretet näher!«, forderte sie ihn freundlich auf.
Gwyn folgte ihren Worten.
»Nehmt Platz, dort auf jenem Schemel, und ruht Eure Knie ein wenig aus. Der Boden in der Kapelle ist hart.«
Sie deutete mit der Hand auf einen prächtigen Sitzplatz, und Gwyn nahm folgsam Platz.
»In jenem Krug ist etwas feiner Likör aus Beeren. Kostet doch davon«, forderte sie ihn auf.
Gwyn nickte nur, machte aber keine weiteren Anstalten, sich einen Becher zu nehmen und zu trinken. Noch nie war er ihr so nahe gewesen, und noch nie hatten es die Umstände erlaubt, dass sie beide alleine waren. Er genoss jeden Augenblick.
Sie kam nicht näher, sondern wandte sich um, schritt zu ihrem prächtigen Bett, zog die langen, wallenden Vorhänge zur Seite. Gwyn hatte in seinem Leben noch kein solch prächtig verziertes Bett gesehen.
Mit einem Griff begann sie, ihre Haube zu lösen, legte diese sorgsam auf ein kleines Tischchen, um sich dann ihres Kleiderbandes zu entledigen, das ihr weites, langes Gewand an der Taille hielt und ein wenig schnürte. Danach band sie das Kleid an beiden Seiten auf, so dass sie die Ärmel entkleiden konnte, dann die Brust, zuletzt die Beine. Dasselbe tat sie mit ihrem Unterkleid.
So entkleidete sie sich, Stück für Stück, und Gwyn saß dabei, sie mit angehaltenem Atem beobachtend und dabei insgeheim bei jedem Stück Stoff, das sie auszog, hoffend, es möge noch lange nicht zu Ende sein. Denn nur so hatte er die Gewissheit, dass dieses Spiel noch andauern konnte. Das war das Einzige, was er sich in diesem Moment wünschte.
Jetzt war nichts mehr auszuziehen außer ihrer Cotte, die bis zum Boden reichte, aber aus so durchsichtigem Stoff war, dass selbst das wenige Kerzenlicht im Raum ihren Leib modellierte.
Gwyn schluckte und spürte, dass er etwas sagen wollte. Aber er wusste nicht so recht, welche Worte dies sein sollten. So schwieg er.
Agnes hatte ihn, während sie sich auszog, keinen Moment angesehen. Sie wusste ja, dies tat er zur Genüge. Sie lächelte manchmal still jenes Lächeln, das Gwyn so liebte. Ansonsten tat sie ganz so, als wäre diese Prozedur des Entkleidens auch im Beisein des Gesellen eine ganz schickliche Sache. Nun band sie eine dünne Schnur auf, welche die Cotte an ihrer Brust zusammenhielt. Dann war sie nackt. Gwyn fühlte Schweißperlen wie kleine Kugeln über seinen Rücken rinnen. Die Frau setzte sich auf einen Schemel neben ihr Bett und begann, sich mit einem Kamm ihr herrliches Haar zu kämmen. Dazu summte sie leise eine Melodie vor sich hin.
Im zarten Licht der Kerze betrachtete Gwyn den bloßen Körper der Frau. Ihre Haut war so weiß, dass ihr rötlich blondes Haar wie ein dunkler Umhang wirkte. Wenn sie sich nicht bewegte, schien der feine Haarflaum in ihrem Nacken zu schimmern wie mit Firnis bemalt. Plötzlich wandte sie sich um und legte ihre rechte Hand auf ihre Brust.
»Sagt, Gwyn! Findet Ihr mein’ Busen von feiner Gestalt?«
Er schluckte und nickte dann.
»Ich hörte einen Vers«, sagte sie und streckte sich, und ihre Beine bildeten für einen Moment eine herrliche Linie mit ihrem übrigen Leib.
»… und ihre Brust war glänzend weiß, wie auf dem Zweig gereiftes Eis. Wie findet Ihr diese Worte?«
Sie gluckste und schüttelte dabei den Kopf, so dass ihr prächtiges rotes Haar im Licht glänzte. Gwyn verspürte auf einmal den heißen Wunsch, sie zu berühren. Er stand auf. Sie war keinen Moment lang verlegen, sondern wandte sich von ihm ab und ergriff den Kamm, um sich erneut ihr Haar zu kämmen.
Gwyn blieb stehen, unschlüssig, was er tun sollte.
»Gwyn! Es ist spät! Ihr solltet zu Bett gehen«, sprach sie, ohne ihn anzusehen.
»Lady Borden«, stammelte er, »ich …«
»Gwyn Carlisle! Ich erlaube Euch, an mich zu denken, von mir zu träumen. Ich weiß immer, wann Ihr dies tut. Mein Herz klopft dann ein wenig schneller, und es ist mir wohl.«
Gwyn nickte statt einer Antwort.
»Nun geht«, befahl sie leise.
Gwyn nickte hastig und verbeugte sich vor der Frau, wandte sich um und verließ ihr Schlafgemach. Als er in seine Kammer zurückgekehrt war, hob er sein Kopfkissen auf, unter dem ihr Geschenk, das selbstgenähte Hemd, lag, und er vergrub sein Gesicht darin und flüsterte ihren Namen immer wieder.
***
Von diesem Abend an gestattete ihm die Lady öfter einen Besuch. Im Gegensatz zu diesem ersten Abend jedoch ließ Agnes es zu, dass Gwyn sie berührte, sie küsste, sie als Frau begehrte und sie dies spüren ließ. Gwyn verzehrte sich nach
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