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Der Goldschmied

Der Goldschmied

Titel: Der Goldschmied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Mueller
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wohl.«
    Sie trat auf ihn zu, hakte sich neben ihm ein und führte ihn zu dem großen Fenster an der Längswand des Raumes. Direkt vor dem Haus wuchs eine mächtige Eiche. Master Borden hatte ihm einmal erzählt, wie dieser Baum von seinem Urgroßvater Richard Borden gepflanzt worden war. Und von all den Herrlichkeiten seines Besitzes war ihm dieser mächtige Baum besonders lieb.
    De Guilbert hatte während der Belagerung eine makrabe Fracht zurückgelassen. Kathleen, die Hausmagd, hatte in der Früh die Leiche eines Stadtknechtes im Geäst entdeckt. Der Mann war tot, von einem der Katapulte verschossen worden, auf dass die Leiche die Menschen schrecke und Krankheiten auslöse. Kathleen war bei dem grausigen Anblick schreiend durch das Haus gelaufen, bis Borden selbst die Frau beruhigte. Er befahl, den Unglücklichen zu bergen, und er bezahlte das Begräbnis. Dann ließ er den Ast absägen, an dem der Tote mit grässlich verrenkten Gliedern eine ganze Nacht gehangen war.
    Nun stand der Baum wieder voll Saft, nur an jener Stelle konnte man durch das dichte Grün hineinschauen.
    »Seht, Gwyn, die beiden Vögel dort, wie sie sich zugetan.«
    »Ja, Agnes.«
    »Gwyn, Liebster!«
    Zwei Vögel saßen auf einem Ast, nur wenige Armlängen von dem geöffneten Fenster entfernt, und schnäbelten mit anrührender Zärtlichkeit. Agnes schmiegte ihre Wange an Gwyns Arm, und sogleich fühlte er erneut dieses eigenartige, brennende Verlangen nach dieser Frau.
    »Wenn der Aprilmond sanften Regen bringt,
    Der Märzendürre an die Wurzel dringt
    Und jeder Ader mit solch Säften schwellt,
    Dass diese Kraft erzeugt die Blumenwelt,
    Wenn lust’ge Melodie das Vöglein macht,
    Das offene Auge schläft die ganze Nacht   …
    Dann treibt das Volk die Wallfahrtslust
    Und Pilger, fortzuziehn zu fremdem Strande,
    Zu fernen Heil’gen, kund in manchem Lande.«
    Als er geendet hatte, sah Agnes ihn verwundert an. »Woher kennt Ihr solch feine Worte?«
    »Ich reiste einst von London nach Bath mit Cornelius van Brunschwigg, einem Gelehrten und Freund. Er wusste dies.«
    Die beiden Vögel auf dem Ast waren fortgeflogen. Agnes blickte noch einmal hinaus. Dann wandte sie sich um. »Habt Ihr Euch entschieden?« Sie deutete zu dem Pergament.
    »Ihr habt es wirklich eilig, Agnes«, antwortete er.
    Gwyn machte sich aus ihrer zärtlichen Geste frei, trat an den Tisch und schrieb mit einer Feder seinen Namen auf das Pergament.
    Dann wandte er sich um. »Und Pilger, fortzuziehn zu fremdem Strande, zu fernen Heil’gen, kund in manchem Lande.
    Ich werde Euer Gemahl, Agnes. Aber in diesem Hause alt zu werden, dies kann ich nicht versprechen. Weder vor Euch noch vor Gott.« Ohne sie noch einmal anzusehen, wandte er sich um und verließ die Kammer.
    ***
    Es regnete während des ganzen Weges nach London ohne Unterlass. Gwyn war nass bis auf die Haut, als er die Stadtmauern in der ersten Nachmittagsstunde erreichte.
    Jedoch, er freute sich auf seine Mutter. Mindestens einmal im halben Jahr besuchte er sie. Eyleen genoss und liebte diese Besuche. Nach Fallens Tod war sie krank geworden und nie mehr richtig gesundet. Seit er sie bei den frommen Schwestern im Hospiz wusste, war ihm in seinen Gedanken wohler. Er dachte oft daran, seine Mutter zu sich nach Bath zu holen. Vielleicht würde sich ihr Zustand dort bessern. Aber die Nonnen hatten ihm davon abgeraten. Eine einst verschleppte Schwindsucht war jetzt wiedergekehrt und zeigte ihre längst vergessenen Leiden.
    Wie immer hatte er ein paar Geschenke auf dem Markt von Bath erstanden. Ein gewebtes Schultertuch aus schottischer Wolle und einen kleinen Korb voll süßem Gebäck. Wallisische Händler hielten dies gern feil. Eyleen besaß nicht mehr viele Zähne und konnte nicht richtig beißen. Aber Gwyn wusste, wie sie es liebte, im Klostergarten zu sitzen und das süße Ingwergebäck zu schlecken wie ein kleines Kind.
    Er läutete die kleine Glocke an der Klosterpforte. Der helle freundliche Ton schien so gar nicht zu dem verregneten Tag zu passen. Ein kleines Fenster in der Türe öffnete sich, und zwei fragende Augen blickten ihn an.
    »Gott schütze Euch und dieses Haus, ehrwürdige Schwester. Ich bin Gwyn Carlisle, der Faber aus Bath. Meine Mutter möcht ich sehn, wenn es Euch genehm ist.«
    Die Nonne musterte ihn und ließ ihn ein. Gwyn schlüpfte durch die kleine Pforte und folgte der schweigenden Frau. Es war still hier. Außer seinen eigenen Schritten war kein Laut zu hören. Selbst der Regen schien hier ein

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