Der Golfklub Mörder Kommissar Morry
nieder. Er war gespannt, was das Mädchen ihm beichten würde. Ihre mysteriöse Ankündigung ließ einiges erwarten.
„Weißt du", sagte sie, „wenn ich dir klargemacht habe, was mit mir los ist, wirst du mich nach Hause schicken. Du wirst mir einfach die Tür weisen. Darum sprach ich von der Henkersmahlzeit."
Er offerierte ihr eine Zigarette und schob sich selbst eine zwischen die Lippen.
„Schieß los", bat er und reichte ihr Feuer.
„Meine Eltern haben eine Bar . . . nichts Besonderes, aber es ist ein ganz einträgliches Geschäft. Mein Vater starb, als ich vier war. Meine Mutter heiratete zum zweiten Male vor sechs Jahren. Eben den Barbesitzer. Mein Stiefvater ist ein kräftiger und brutaler Mann. Schon vor zwei Jahren begann er, mich hinter der Theke zu beschäftigen. Er merkte, daß ich die Kunden anzog. Für ihn war ich so eine Art Lockvogel. Aber er achtete eifersüchtig darauf, daß keiner der Burschen zu weit ging. Die männlichen Gäste, die mir gegenüber frech wurden, hatten nichts zu lachen. Mein Stiefvater ließ sich dabei keineswegs von der Sorge um mein moralisches Wohlergehen leiten. Ihm kam es nur darauf an, daß ich ihm erhalten blieb. Als ich achtzehn wurde, begann er ganz schamlos um meine Gunst zu werben."
„Wie stellte sich deine Mutter dazu?"
Daphne verzog verächtlich die Lippen und winkte ab. „Der ewige Nachtbetrieb hatte sie stumpfsinnig werden lassen. Sie war und ist eine Trinkerin, die sich herzlich wenig aus dem macht, was die anderen tun. Ich durchlebte im letzten Jahr die Hölle. Mit aller Kraft wehrte ich mich gegen seine Übergriffe, aber mir wurde immer klarer, daß es eines Tages zu einer bitteren, furchtbaren Entscheidung kommen würde. Heute war es soweit. Er drang in mein Zimmer ein. Ich wußte mir keinen anderen Rat und packte den nächstbesten Gegenstand, um mich verteidigen zu können. Ich erwischte das Tennisracket. Als er mich anzufassen versuchte, schlug ich es gegen seinen Kopf . . . . gegen die Schläfe."
Daphne schwieg. Sie schlug die Hände vors Gesicht und senkte den Kopf. „Ich fürchte, er ist tot", fuhr sie murmelnd fort. „Bestimmt steht es morgen in allen Zeitungen! Er ist tot ... und ich bin seine Mörderin! Lieber Himmel, warum bin ich nicht früher weggelaufen? Ich habe das doch kommen sehen!"
Sie nahm die Hände vom Gesicht. James hatte erwartet, Tränen auf ihren Wangen zu sehen, aber ihre Augen waren trocken.
„Da stürzte ich aus dem Haus", schloß sie. „Im Vorbeigehen riß ich den Regenmantel vom Garderobenhaken . . . sonst nahm ich nichts mit. Gar nichts!"
James sog an der Zigarette und blickte lins Feuer. Er lauschte gleichsam in sich hinein, um herauszufinden, wie er auf Daphnes Bericht reagierte. Seltsamerweise ließen ihn ihre Worte ziemlich kalt ... als wäre es nur eine Erzählung, irgendeine Geschichte, die man in der Zeitung liest und die man nicht recht ernst zu nehmen vermag, weil sie sich in einem fremden Ort und in einem fremden Kreis abspielte.
„Warum sagst du nichts, James?"
Er lächelte flüchtig, weil sie das erste Mal seinen Vornamen benutzte. „Dich trifft keine Schuld“, erwiderte er ruhig. „Du hast dich verteidigt. Das ist Notwehr. Im übrigen ist es ja gar nicht sicher, ob er tot ist. Rege dich also bitte nicht auf. Morgen früh sehen wir weiter."
„Du verurteilst mich also nicht?" fragte sie hoffnungsvoll.
Er schüttelte den Kopf. „Nein", sagte er. „Nicht, wenn alles so war, wie du es geschildert hast."
Ihre schönen Augen weiteten sich. . . . James . . . glaubst du mir nicht?"
Er lächelte. „Aber ja, Liebling, Du mußt jetzt ganz ruhig bleiben." Er stand auf und stellte die Schüsseln und Teller zurück aufs Tablett. „Du kannst im Fremdenzimmer schlafen", fuhr er fort. „Ich mache es dir zurecht. In ein paar Minuten bin ich wieder unten. Oder hast du noch immer Angst?"
Sie schüttelte den Kopf. „Nein", antwortete sie leise. „Jetzt nicht mehr."
Er ging hinaus und schloß die Tür hinter sich. Nachdem er das Tablett in der Küche abgesetzt hatte, betrat er die Diele, um ins erste Stockwerk zu steigen. Dabei gewahrte er Daphnes Mantel am Garderobenhaken. Er hing so, daß man in eine der Taschen blicken konnte, die weit offen klaffte. Er blieb stehen und runzelte die Stirn.
Zögernd und fast gegen seinen Willen trat er näher. Es gab keinen Zweifel: in der Tasche steckte ein zusammengerolltes Bündel Banknoten. Er mußte sich zwingen, keinen Ausruf der Überraschung laut werden zu
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