Der Gorilla - die letzten schwarzen Riesen im Kongo
tragen.
Robert spricht die Gruppe an: »Wer hat hier das Kommando?«
Ein erstaunlich kleiner, aber muskulöser Mann tritt vor, die Hände über dem Koppelschloss gefaltet. Seine Uniform wirkt tadellos, seine Stiefel blitzen trotz des staubigen Geländes. Er mustert Robert durch eine spiegelnde Sonnenbrille. Der Naturschützer deutet auf die brennenden Wracks und fragt, was denn da passiert sei. Robert versucht, ernsthaft interessiert zu wirken. Es habe einen Überfall durch Banditen gegeben, entgegnet der Offizier. Sie seien zufällig vorbeigekommen und hätten die Räuber vertrieben. Dass die Lkw brennen, sei die Schuld der Kriminellen. Die Insassen seien leider alle tot. Sie selbst seien ordentliches Militär und sorgten hier für Ordnung. Robert glaubt ihm nicht, lässt sich aber nicht anmerken, dass er vermutet, den Verantwortlichen für die Zerstörungen vor sich zu haben. Er lacht und gratuliert dem Offizier.
»Das habt ihr großartig gemacht. Bewundernswert. Was für ein toller Job. Hervorragende Leistung.«
Robert bietet dem Kommandeur und seinen Männern Zigaretten an. Der Trick klappt. Nach weiteren Lobeshymnen auf die Tapferkeit der Soldaten und ihr beherztes Eingreifen darf Roberts Wagen passieren. Die Fahrt führt an diesem Tag noch weit nach Norden. Erst mitten in der Nacht kehren sie nach Goma und zu Roberts Haus zurück.
Erschöpft wirft sich der Naturschützer auf sein Bett. Die Probleme, die er gesehen hat, sind so gewaltig, dass eine Lösung beinahe aussichtslos erscheint. Die Einheimischen roden die Wälder in unglaublichem Ausmaß, um mit Holzkohle ein paar Dollars zu verdienen. Bauern treiben ihr Vieh in den Nationalpark, weil außerhalb jeder Quadratmeter für den Ackerbau genutzt wird und ihre Tiere ansonsten nichts zu fressen finden. Marodierende Soldaten und Rebellen stützen sich auf die Macht der Gewehre. Sie pfeifen auf den Park, seine Tiere.
Sie haben gelernt, dass man sich hier schnell bedienen muss, denn vielleicht bleibt einem nicht viel Zeit dazu. Und wenn sich mit Flusspferden, Elefanten oder anderen Tieren Geld verdienen lässt, dann wird das auch gemacht. Wer sollte sich in diesem Umfeld um das Überleben von ein paar Hundert Gorillas scheren? Als Robert über all diese Probleme nachdenkt, überkommen ihn zum ersten Mal im Kongo Zweifel. Den Park mit seinen Gorillas zu retten, erscheint fast unmöglich. Wie soll er das schaffen?
V
K abirizi öffnet die Augen. Der Gorillamann sieht dichtes Buschwerk, er riecht den würzigen Duft der Erde. Über Nacht hat er mit seinen beinahe 200 Kilogramm die Zweige und Blätter, aus denen er sein Schlafnest am Boden gebaut hat, zu einer kompakten Matratze zusammengepresst. Trotzdem sticht der ein oder andere Trieb empfindlich durch das schwarzgraue Fell in seine Haut.
Es hat nicht geregnet und auch sonst ist die Nacht ruhig geblieben. Der klare Sternenhimmel des Äquators und die Stille des Bergregenwaldes sind wie gemacht für einen tiefen, friedlichen Schlaf. Vor der Kälte, die nach Sonnenuntergang auf knapp 2 000 Meter Höhe unvermeidlich ist, schützen lange, dichte Haare und zur Bettdecke umfunktionierte Blätter und Zweige, die hier im Herzen Afrikas immer in Reichweite sind.
Die Schwere des Schlafes weicht aus Kabirizis Gliedern. Er richtet sich auf und reckt seine gewaltigen Arme, dehnt seine mächtigen Muskeln und verharrt schließlich sitzend unter dem Busch, der ihm als Baldachin für seine Nachtruhe gedient hat. Er lauscht. Hinter dem dichten Gewirr des Unterholzes hört er seine bereits geschäftig Bambussprossen kauende Sippe. Es ist die Zeit, in der überall frisches Grün aus der Erde sprießt und man nur nach den zwar faserreichen, doch süßen Trieben des Bambus greifen muss. Die Familie wird weniger weit wandern müssen als zu anderen Jahreszeiten.
Kabirizi gähnt. Seine mehrere Zentimeter langen Eckzähne blitzen auf. Noch sieht er die anderen nicht. Das muss er ändern. Seine Arme tragen das Gewicht seines Oberkörpers wie Säulen. Die kürzeren Hinterbeine wirken dagegen fast kläglich. Als ob er sich schon einmal im Spiegel betrachtet hätte, achtet Kabirizi darauf, nie sein Hinterteil zu präsentieren. Nur die Vorder-, allenfalls noch die Seitenansicht, ist stattlich und macht etwas her. Weibchen, Rivalen, Feinde, alle sollen sehen, wie stark er ist, alle sollen ihn fürchten. Mit den Muskelpaketen seiner Arme und dem gewaltigen Brustkorb ist das kein Problem, mit der Rückseite dieser Droh- und
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