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Der Gorilla - die letzten schwarzen Riesen im Kongo

Der Gorilla - die letzten schwarzen Riesen im Kongo

Titel: Der Gorilla - die letzten schwarzen Riesen im Kongo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Jutzi
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es trinken, muss man es filtern, ansonsten drohen üble Magenkrämpfe und katastrophaler Durchfall.
    Oben, auf dem Hügel angekommen, blickt Robert über die Stadt. Man weiß sofort, in welchen Vierteln es Strom gibt. Dort glimmen einige Straßenlaternen und aus den Fenstern fällt Licht in die Vorgärten. In den Quartieren, die die Elektrizität nicht erreicht, vertreiben die Einwohner die hereinbrechende Dunkelheit mit Kerzen, Fackeln oder Gaslampen. Weit hinten erkennt man den Flughafen, bis zu dessen Rollbahn vor einigen Jahren die Lava floss, die der Nyiragongo, einer der Virunga-Vulkane, ausgespuckt hatte. In dem erstarrten Gestein steckt eine Passagiermaschine fest, die nicht schnell genug in Sicherheit gebracht werden konnte. Im Schein der untergehenden Sonne sieht man den von der Lava angesengten Rand der Stadt.
    Der Himmel färbt sich rot, die Wolken heben sich blauviolett ab. In der Ferne steigen Vulkankegel auf. Ein Bild von urtümlicher Schönheit und Kraft. Robert will den Moment mit seiner kleinen Digitalkamera festhalten. Das muss er einmal seinen Enkeln zeigen, wenn er von seinem Aufenthalt im Kongo erzählt. Er knipst mehrere Bilder, doch noch ehe er die Resultate auf dem kleinen Display kontrollieren kann, hört er eine scharfe Stimme hinter sich.
    »Was machen Sie da?«, herrscht ihn ein Soldat an.
    Im Nu sieht sich Robert von einer Patrouille umringt. Er lächelt und versucht, möglichst freundlich und harmlos auszusehen. Er erklärt den Soldaten, dass er lediglich den Sonnenuntergang festhalten will. So ein herrlicher Anblick. Das ist verboten, weil da hinten der Flughafen liegt. Ein strategisch bedeutendes Objekt. Fotografieren strengstens verboten.
    Robert zögert. Man sieht den Flughafen fast gar nicht auf den Fotos. Aus dem Internet kann man jederzeit Satellitenbilder von dem Gelände herunterladen, viel detailreicher als seine Landschaftsaufnahmen. Robert weiß, dass es dumm wäre, jetzt so zu argumentieren. Vielmehr beschwichtigt er den Offizier. Er gesteht, einen Fehler gemacht zu haben. Er hat nicht gedacht, etwas Schlimmes zu tun. Aber er wird die Fotos selbstverständlich löschen und demonstriert das auch sofort. Der Offizier grübelt, taxiert Robert, droht, ihn mit auf die Wache zu nehmen. Schließlich, nach langem Gerede, gibt er sich damit zufrieden, dass er das Löschen der Fotos kontrolliert. Robert behält seine Kamera. Er zahlt nichts und muss trotzdem nicht die halbe Nacht in einem heruntergekommenen Wachposten damit verbringen, lästige Fragen zu beantworten, die letztlich nur dazu dienen, ihn zu zermürben und ein möglichst hohes Schmiergeld zu bekommen. Er hat lediglich die Fotos von diesem atemberaubend schönen Sonnenuntergang geopfert. Ein kleiner Preis dafür, dass er unbehelligt zu seinem Haus gehen kann.
    Am nächsten Morgen bricht Robert zu einem Camp der Parkranger auf. Ernüchterung trifft seine Empfindung nur schlecht, als er den Zustand des Postens sieht. Erschrecken schon eher. Rumangabo, das Hauptquartier der Gorillaschüt zer, ist ein von den belgischen Kolonialherren erbauter Stützpunkt. Er liegt malerisch an einem bewaldeten Hang, über blickt die weite Ebene zwischen dem Mikeno- und dem Nyiragongo-Vulkan und bietet eine grandiose Aussicht. Seine Betonbauten verströmen dagegen die abweisende Atmosphäre, die Armeegebäuden weltweit anhaftet. Gibt es eine Architektenschule, die dazu ausbildet, Gebäude unfreundlich wirkend zu errichten?
    Robert fährt vor das Hauptgebäude. Aus der mächtigen Holztür zwischen den Säulen des Eingangsbereiches tritt ein stattlicher Mann in Tarnuniform. Er trägt eine spiegelnde Sonnenbrille und hat einen kleinen Bauch. Lässig lässt er seine Arme herabhängen. Sein Auftritt hat nichts Militärisches. Robert springt die wenigen Stufen, die zum Gebäudeeingang führen, hinauf und schüttelt die Hand des Mannes. Es ist Paulin Ngobobo, von dem der Parkdirektor erzählt hat. Er kümmert sich um den Gorillasektor des Parks. Zuvor hat er jahrelang für eine Gorillaschutzorganisation gearbeitet. Da er seinen Posten gerade erst übernommen hat, kommt ihm Robert, der Hilfe verspricht, gerade recht.
    Robert überragt Paulin um mehr als einen Kopf. Der Ranger blickt prüfend über den Rand seiner Brille in das Gesicht des Europäers. Er hat schon viele Menschen erlebt, die hierher gekommen sind, um zu helfen. Viele verzweifelten. Im Kongo kommt für jeden Menschen einmal der Punkt, an dem sich entscheidet, ob er weitermacht oder

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