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Der Gorilla - die letzten schwarzen Riesen im Kongo

Der Gorilla - die letzten schwarzen Riesen im Kongo

Titel: Der Gorilla - die letzten schwarzen Riesen im Kongo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Jutzi
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jeden Schabernack. Mafuko ihrerseits ist überrascht, dass sie so unvermittelt vor dem Vater steht. Sie senkt den Kopf. Der Gorillamann kann sehr ungehalten sein, das weiß sie. Besonders früh am Morgen ist er nicht zu Späßen aufgelegt. Jetzt nur nichts Unbedachtes tun. Kabirizi schaut über sie hinweg. Mafuko nestelt an einigen kleinen Kräutern herum und versucht, unverdächtig zu wirken. Noch zögert der Gorillamann. Wird der Wirbelwind sich diesmal im Zaum halten?
    Bevor die Spannung zu groß wird, wendet sich Kabirizi zur Seite. Seine Tochter hat gelernt und erkennt seine Vormachtstellung an. Der Vater ist zufrieden. Das Familienoberhaupt dreht weiter seine morgendliche Runde. Sein Blick fällt auf Janja, die wie immer am Boden nach Nahrung sucht. Das Klettern fällt ihr schwer, seit ihr vier Zehen am linken Fuß fehlen.
    Sie war vier Jahre alt, als sie sich in einer Drahtschlinge verfing. Was Wilderern eigentlich eine Antilope als Beute hätte bringen sollen, wurde ihr beinahe zum Verhängnis. Janja konnte die Schlinge zwar aus ihrer Verankerung reißen, der Draht schnitt aber weiter in ihr Fleisch, sodass sich die Wunde entzündete. Kabirizi konnte es riechen. Es roch gefährlich nach Krankheit und Tod. Dann kamen jene seltsamen Wesen, die Affen ähneln und doch keine sind. Sie kamen so, wie sie sonst auch kommen.
    Vor langer Zeit, so lange, dass es Kabirizis Vorstellung von Zeit weit übersteigt, waren die Ersten dieser Wesen zu ihm gekommen. Sie blieben weit entfernt, man konnte sie nur hören. Sie brachen Zweige und gaben merkwürdige Geräusche von sich, ähnlich denen eines Gorillas, aber eben nicht dieselben – wie eine Mischung aus Grunzen und Räuspern. Kabirizi, der gerade erst die Herrschaft über seine Familie gewonnen hatte, war sehr nervös. Seiner Position noch unsicher, beunruhigte ihn alles Ungewohnte in seiner Umgebung. Selbst wenn seine Gruppe eine kleine Antilope aufschreckte und diese ängstlich davonstob, fühlte er sich zu einer Machtdemonstration genötigt. Mit kurzen, heftigen Schlägen hämmerte er dann auf seine Brust und ließ das typische, wie aus hartem Holz aufsteigende Trommeln eines Gorillamännchens ertönen. Jeder Bewohner des Regenwaldes versteht dieses Geräusch: Hier ist jemand, den man besser nicht erzürnen sollte, und es ist ratsam, ihn nicht weiter zu reizen. Spätestens wenn er die Äste des Unterholzes krachen ließ, gab Kabirizi eindeutig zu verstehen, dass, wer auch immer sich in seine Reichweite begeben hatte, sich nun besser zurückzog.
    Es dauerte lange, bis sich die Wesen näher an ihn und seine Familie heranwagten. Sie taten das mit Bedacht, und Kabirizi erkannte mehr und mehr, dass ihm keine Gefahr von ihnen drohte. Irgendwann sah er eine dieser Gestalten zum ersten Mal. Sie hatte sich von der Seite genähert. Ihr Körper war zwar halb vom Gestrüpp verdeckt, aber Kabirizi, der Blätter kauend im Schatten eines Baumes saß, erkannte bald, dass das Wesen tatsächlich einem Affen ähnelte. Es bewegte sich zwar anders, aber die Umrisse seines Körpers waren die eines Affen. Kabirizi tat so, als ob ihn nur das Fressen interessierte, konzentrierte sich aber vollständig auf dieses unbekannte Geschöpf, selbst wenn er mechanisch weiterkaute und nicht direkt in Richtung des Unbekannten blickte. Es ist nicht die Art von Gorillas, wem oder was auch immer in die Augen zu schauen. Sie deshalb für unaufmerksam zu halten, wäre ein fataler Fehler.
    Kabirizi rüstete sich für einen Angriff. Sollte eines der Wesen auch nur den Anschein erwecken, einem der Familienmitglieder schaden zu wollen, sollten sie seine Kraft zu spüren bekommen. Doch sie verschwanden bald wieder, geräuschvoll wie sie gekommen waren. Am darauffolgenden Tag waren sie wieder da. Seither kamen sie immer wieder und waren einfach da. Kabirizi nahm sie zwar wahr, in aller Regel aber weder als Bereicherung noch als Belästigung. Sie waren eben einfach da, so wie andere Tiere, die Sonne, die Bäume und die Erde da waren. Das alles konnte durchaus auch einmal lästig sein, aber was nutzte es. Es war da und es war meist besser, es als gegeben hinzunehmen, denn trotz aller Wutausbrüche, trotz aller Drohgebärden, es war letztendlich immer da und ließ sich auf Dauer nicht vertreiben.
    Woher diese Wesen kamen, wusste er nicht. Er wartete nicht auf sie, aber immer wenn sie kamen, erinnerte er sich an sie, an die Geräusche, die sie gewöhnlich machten, ihren Geruch, und er erinnerte sich daran, dass ihm

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