Der Gorilla - die letzten schwarzen Riesen im Kongo
Schreckensfassade allerdings schon.
Krachend bahnt sich Kabirizi den Weg durchs Unterholz. Jetzt sieht er Rubiga. Sie ist immer ruhig, immer beschwichtigend. Nie braust sie auf, nie reagiert sie heftig, wenn ein anderes Weibchen ihren Weg kreuzt oder ein Junges sie frech an den Haaren zupft. Rubiga ist wichtig, denn wenn sie in der Nähe ist, gibt es selten Streit in der Familie. Sie findet immer die richtige Geste, weiß immer einen Ausweg, auch beim heftigsten Zwist.
Zwar gibt sie sich meist zurückhaltend, ganz so, wie es der Art erwachsener Gorillaweibchen entspricht. Wenn es aber nottut, wenn sich beispielsweise zwei Heranwachsende um den besseren Futterplatz oder ein Spielzeug streiten, dann ist sie oft noch vor Kabirizi zur Stelle, positioniert sich zwischen den Streithähnen oder beruhigt sie, indem sie sanft, aber bestimmt einen Klaps austeilt.
Doch hin und wieder reagiert auch Rubiga zu spät. Dann muss Kabirizi mit der massigen Kulisse seines Körpers Ordnung schaffen. Ihm ist es ganz recht, denn sollte er es zu oft versäumen, sich zwischen die anderen zu stellen, dann könnten sie an ihm zweifeln. Rubiga kennt Kabirizis Sorge, ihre eigene ist jedoch noch größer. Denn nur wenn Kabirizi stark und mächtig bleibt, ist ihr Nachwuchs sicher – und das ist ihr oberstes Ziel. Deshalb schritt sie auch ein, nachdem der Silberrücken wieder einmal zwei miteinander raufende Halbwüchsige getrennt hatte. Unterwürfig hatten die beiden sich vor ihrem Herrscher geduckt. Der zog sich, im Gefühl seines Triumphes, ins Gebüsch zurück. Nur Rubiga sah, wie einer der beiden Frechdachse sich aufrichtete und dem Familienoberhaupt einen trotzigen Blick hinterherwarf. Sie war zu klug, um diese Anmaßung mit einer lauten Aktion zu strafen. Das hätte lediglich die gereizte Aufmerksamkeit Kabirizis auf sie gelenkt. Stattdessen schlenderte sie wie die Unschuld persönlich in Richtung des Renitenten. Als sie fast schon an ihm vorbei war, holte sie kurz mit dem Hinterbein aus und verpasste ihm einen Tritt, der ihn vollkommen überraschte.
Der Gemaßregelte war so verdutzt, dass ihm weder Protest noch Wehklage in den Sinn kam. Als er sich wieder gefangen hatte, war Rubiga längst verschwunden und auf Kabirizis Spur im Gewirr der Blätter und Zweige abgetaucht. Ihr jetzt hinterherzustürmen, wäre ein Akt der Verzweiflung gewesen, der bestenfalls in einer gehörigen Abreibung durch Kabirizi enden konnte. Dem Düpierten blieb nichts anderes übrig, als sich frustriert an einem kleinen Busch abzureagieren.
Kabirizi beobachtet Rubiga. Er sieht sie gerne. Dass er ihr als Erste an diesem Morgen begegnet, ist ein gutes Zeichen. Kabirizi schnaubt zufrieden. Aus dem Gebüsch vor ihm schält sich raschelnd ein schwarzes Fellknäuel. Der Gorillamann zögert. Ist das etwa Mafuko? Bei der Halbwüchsigen weiß man nie, was sie im Schilde führt.
Einmal brachte sie Kabirizi eine tote Schlange. Verstohlen schlich sie sich an den arglosen Vater heran, warf ihm das Reptil vor die Füße und zischte davon. Kabirizi bekam einen Mordsschrecken und zuckte zurück. Bei lianenförmigen Gebilden, die sich auf dem Boden ringeln, musste man höchste Vorsicht walten lassen – das sagte ihm eine unbestimmte, aber um so heftigere Angst. Doch innerhalb weniger Sekunden besann er sich. Als Feigling konnte er sich seiner Sippe nicht präsentieren. Kurz beobachtete er den reglosen Köper auf dem Waldboden, fasste sich schließlich ein Herz und stürzte sich wutschnaubend und mit aller Wucht, die seine Muskeln hergaben, auf das bedrohliche Etwas. Mit furchtbaren Schlägen malträtierte er den leblosen Körper, sodass dieser immer wieder hoch und weit durch die Luft flog. Erst als sich die Schlange in den Ästen eines Busches verfing, verebbte das Toben des Silberrückens.
Die Familie hatte das Treiben nicht allzu interessiert registriert und sich schnell wieder der alltäglichen Beschäftigung eines Gorillas, dem Fressen, zugewandt. Nur Mafuko blieb noch einige Zeit verschwunden. Sie entzog sich den Blicken des Vaters, indem sie sich ganz am Rand der Gruppe aufhielt und sorgsam darauf achtete, immer genügend Sträucher zwischen sich und dem Vater zu haben, damit sie sein zorniger Blick nicht finden konnte und sie doch noch seinem Strafgericht unterzogen würde.
Es ist tatsächlich Mafuko, die da vor Kabirizi aus dem Busch purzelt. Grimmig blickt der Silberrücken auf das junge Gorillaweibchen, das erstaunt vor ihm steht. Kabirizi wappnet sich gegen
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