Der Gorilla - die letzten schwarzen Riesen im Kongo
aufgibt. Manch mal ist es notwendig, die Beharrlichkeit eines niederen Tieres zu zeigen, um nicht zu scheitern. Paulin weiß zwar, dass er in Roberts Gesicht nicht ablesen kann, ob er sich bewähren wird. Er weiß aber auch, dass der andere seinen Blick registriert. Wenn ihn schon dieser verunsichert, dann wird er es hier nicht lange aushalten.
Robert lacht sein Lachen, mit dem er, so meint man wenigstens, Bäume schütteln kann. Paulin ist zufrieden. Mit seiner bedächtigen, leisen Stimme lädt er Robert in sein Büro beziehungsweise das, was er sein Büro nennt, ein. Es ist eine große Halle im Haupthaus des Stützpunktes. Vier alte Tische mit jeweils einem klapprigen Stuhl. Strom gibt es nicht. Wozu auch? Es sind ja keine Geräte da, die ihn benötigen würden. Eine Wand ist mit einer Karte bemalt. Sie zeigt den Park als grüne Fläche, die sich an das Blau des Edwardsees schmiegt. An der gegenüberliegenden Wand lehnt eine bemalte Holztafel. Sie zeigt zwei Soldaten, die sich mit Bajonetten gegenseitig aufspießen. Den Kampfplatz umringen Tiere des Waldes und der Savanne. Giraffe, Zebra, Büffel, Elefant, Löwe, Leopard und Gorilla betrachten verwundert das martialische Treiben. Robert blickt Paulin an. Der zuckt nur mit den Schultern und lächelt. So sieht es hier eben aus.
In einem Nebengebäude präsentiert Paulin das Büro, in dem die Daten über die Berggorillas gesammelt werden. Es liegt direkt neben dem Verhau, in dem – sollte es tatsächlich einmal so weit kommen – gefasste Wilderer eingesperrt werden. Das Büro selbst besteht aus einem Tisch, zwei Stühlen, einem Laptop und einem Drucker. Ein kleiner Generator liefert die Elektrizität für die beiden Geräte. Robert denkt an all die fabelhaft eingerichteten Büros der Hilfsorganisationen in Goma. Da muss etwas geschehen, schießt ihm unwillkürlich durch den Kopf. Das kann so nicht weitergehen.
Paulin führt ihn weiter. Jetzt sind die Unterkünfte der Ranger und ihrer Familien dran. Es ist üblich, dass die Ran ger zusammen mit ihren Familien in den Stützpunkten leben. Das hat den Vorteil, dass sie keine langen Wege zwischen Dienstort und Zuhause zurücklegen müssen. Da niemand hier ein Auto besitzt, um täglich zu pendeln, würde der Dienst als Ranger zwangsläufig Familien auseinanderreißen. Außerdem legen die Frauen kleine Gemüsegärten an und tragen so wesentlich zur Versorgung der Truppe bei. Robert geht an säuberlich gepflanzten Kohlreihen vorbei. Der Weg führt einen kleinen Hang hinab. Unter Bäumen sieht Robert eine Reihe kleiner Betonhäuschen, zwischen denen Wäscheleinen hängen. Auf einem kleinen Platz in der Mitte tummeln sich Hühner.
Robert öffnet eine der Holztüren, die die Eingänge zu den Betonhütten verschließen. Der fensterlose Raum ist düster. Licht fällt nur durch den Türspalt. Drinnen sitzt ein etwa sechsjähriger, abgemagerter Junge auf einem schäbigen Bett und starrt ihn mit großen Augen an. Seinen knochigen Körper bedeckt ein an einen Jutesack erinnernder grober Stoff. Über dem Bett hängt ein Beutel mit wenigen Habseligkeiten, offensichtlich der Kleiderschrank der Familie. Unter dem Bett, auf dem Betonboden, hat ein Huhn sein Nest gebaut. Die Henne sitzt darin und scheint zu brüten. Aber selbst das Tier kann dem Raum keine lebendige Atmosphäre einhauchen.
»Das ist alles«, sagt Paulin, als er Robert verabschiedet, »mehr haben wir hier nicht.« Er weiß, dass Robert ihm helfen will, er weiß aber auch, dass es nicht über Nacht besser werden wird. Robert fasst den festen Entschluss, etwas zu ändern. Bevor er an diesem Abend einschläft, schwört er sich, den Rangern schnell und effektiv zu helfen. Doch zuvor muss er das Terrain noch weiter erkunden.
Schon der nächste Tag verspricht Aufregendes. Endlich geht es in den Nationalpark. Gemeinsam mit Jobogo bricht Robert in der Frühe auf. Sie werden so weit wie möglich nach Norden fahren, dorthin, wo schon lange kein Ranger und schon gar kein Mitarbeiter einer Naturschutzorganisation gewesen ist. Zunächst wollen sie nach Saki und dann immer weiter entlang des Edwardsees bis nach Lwimbi. Robert richtet sich auf eine lange Fahrt ein. Jobogo hat ihm erzählt, wie unsicher die Strecke ist. Überfälle von Rebellen sind dort an der Tagesordnung. Das Unternehmen ist also riskant. Aber wenn Robert nicht in den Park geht, dann kann er auch wieder nach Europa zurückkehren, denn zum Schutz des Parks ist er ja hier. Er hat Jobogo freigestellt, ob er
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