Der Gorilla - die letzten schwarzen Riesen im Kongo
und seiner Familie keine Gefahr drohte. Auch als Janja so krank war, als ihr Fuß nach Krankheit und Tod roch, erschienen sie wieder. Kabirizi war nervös. Er spürte, dass ein Familienmitglied gerade besonders prädestiniert für Angriffe war. Er war unentschlossen, was er tun sollte. Janja hatte sich tief ins Unterholz zurückgezogen. Dass er nicht genau wusste, wo sie war, steigerte Kabirizis Unruhe. Er sah nicht, wie Janja plötzlich sehr müde wurde. Er merkte nicht, wie sich seine Gruppe allmählich von dem Dickicht entfernte, in dem Janja in tiefen Schlaf gefallen war. Er wollte zwar auf das Weibchen aufpassen, durfte aber auch nicht zu weit hinter der Gruppe zurückbleiben. Er hatte nichts wirklich Verdächtiges bemerkt, keine Kampfgeräusche, auch die Familie war ruhig.
Das Geschoss mit dem Betäubungsmittel war lautlos geflogen, und Janja, die bereits sehr geschwächt war, hatte den Aufprall und den Stich durch die Kanüle kaum bemerkt. Schließlich zog Kabirizi mit den anderen weiter. Der Geruch des Todes verflog, und der Duft frischen Grüns umschmeichelte seine Nase. Kabirizi sah nicht, wie die Wesen Janja aus dem Unterholz zogen. Er sah nicht, wie sie das Weibchen auf eine Trage luden und sie aus dem Wald schleppten. Er ahnte nichts von der Stadt, die 30 Kilometer von seiner Heimat entfernt lag und in der jene seltsamen Geschöpfe eine Gorillaklinik für ihn und seine Artgenossen eingerichtet hatten. Er ahnte nichts von den Tierärzten, die sich um Janja kümmerten, von der Operation und der Pflege, die ihr das Leben retten würden. Von all dem ahnte er nichts, weil es seine Vorstellungskraft bei Weitem mehr überstieg als die Unendlichkeit des Universums den Verstand des Menschen. Und er ahnte auch nichts davon, dass es Menschen gab, die wie er bereit waren, ihr Leben zu opfern, damit er und seine Familie weiterleben konnten.
Janja kam nach wenigen Tagen wieder. Sie roch nicht mehr nach Tod, dafür umso mehr nach den Fremden, die sie geholt hatten. Tagelang umwehte sie dieser Geruch, bis er schließlich verflog und Janja wieder wie ein Gorilla roch. Seither ragt lediglich die große Zehe aus dem stumpfen Ende ihres linken Fußes. Sie klettert kaum noch und frisst nur noch am Boden. Kabirizi achtet besonders auf sie. Denn sollte ein Leopard in der Nähe sein, wäre sie ein willkommenes Ziel. Eine Attacke muss der Silberrücken aber um jeden Preis verhindern. Denn wenn die anderen merken, dass er nicht mehr in der Lage ist, sie zu beschützen, könnten sie sich von ihm abwenden. Seine Konkurrenten würde es freuen. Erst gestern stieß seine Familie beinahe mit der seines Nachbarn Humba zusammen. Diese sind zwar nur zu acht, verglichen mit Kabirizis Familie mit 35 Gorillas also unbedeutend. Umso mehr würde sich Humba freuen, Zuwachs aus Kabirizis Familie zu bekommen. Glücklicherweise hatte keines der Weibchen ein Überwechseln auch nur angedeutet. Im Gegenteil, als sich die Nachbarfamilie geräuschvoll bemerkbar machte, zeigten sich die Weibchen ihrem Patron und beschwichtigten ihn mit unterwürfiger, kauernder Haltung, noch bevor sich sein Unmut an der Anwesenheit sei nes vermeintlichen Rivalen entzündete. Humba, ohnehin ein friedlicher Zeitgenosse, vermied es klugerweise, dem Nachbarn in die Quere zu kommen, und war froh, dass sich die beiden Sippen langsam, aber stetig voneinander entfernten. Doch auch ohne Eskalation war Kabirizis Aufmerksamkeit durch das Ereignis geschärft.
Für eine kurze Weile beobachtet der Patriarch die stille Karibu, die er erst seit wenigen Jahren kennt. Sie gehört nun zur Familie, aber dennoch merkt man, dass sie nicht von Geburt an Mitglied der Sippe ist. Selten spielt sie ausgelassen mit den anderen. Kabirizi mag ihre unaufdringliche, besonnene Art. Sie zwingt ihn nie dazu, klarzustellen, wer das Sagen hat. Bei ihr ist er sich seiner Stellung immer sicher. Woher sie kam, weiß er nicht. Das kümmert ein Gorillamännchen aber nicht, denn gesunde Weibchen sind der Garant für gesunden Nachwuchs. Und mit jedem Abkömmling wächst die Macht eines Silberrückens. Jeder Spross nährt die Hoffnung, dass seine Dynastie noch lange an den Hängen der Virunga-Vulkane herrschen wird.
Ausgelassen spielen Maheshe und Mivumbi miteinander. Die Schwestern sind unzertrennlich. Ohne Mivumbi wäre Maheshe wohl nicht mehr am Leben. Nach dem Tod ihrer Mutter war die kleine, kaum zwei Jahre alte Maheshe auf Hilfe angewiesen. Die ältere Schwester nahm sich ihrer an und lehrte sie Dinge,
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