Der Gorilla - die letzten schwarzen Riesen im Kongo
die ein Gorilla eben lernen muss, wenn er überleben will. Maheshe ist schüchtern. Sie geht anderen Gorillas lieber aus dem Weg. Dennoch zeichnet sich kein Misstrauen auf ihrem Gesicht ab, sie schaut freundlich in die Welt. Weniger einladend blickt ihre Schwester Mivumbi drein, was an ihrem dichten Fell liegen mag. Obwohl sie drei Jahre älter als Maheshe ist, sieht sie jünger aus. Wie bei menschlichen Geschwistern hat Mivumbi einen äußerlichen Jugendlichkeitsbonus, der die Erwachsenen manche Unbedachtheit entschuldigen lässt.
Es scheint der Familie gut zu gehen. Kabirizi ist zufrieden. Hunger regt sich in seinem Bauch. Zeit, die ersten Bambusschösslinge zu kauen. Seine massigen Finger greifen nach den kleinen, aber nahrhaften Trieben. Geschickt schält er mit seinen Zähnen die zähen, faserigen äußeren Schichten ab, bis er an das weiße, zarte Innere kommt. Genüsslich zermalmen seine Kiefer den leicht süßlichen Spross. Jetzt wagen sich auch die beiden Heranwachsenden Kayenga und Jeshi unter die Augen des Vaters. Kayenga zeigt sich kurz und verschwindet dann behände in den Wipfeln der Bäume. Er liebt es, dort oben zu klettern, Blätter und Früchte zu fressen und auf den Ästen zu schaukeln. Gerne schwingt er sich auch, Bewunderung heischend, über die Köpfe der anderen. Besonders beeindruckt das aber niemanden. Jeshi spielt mal wieder mit Dreck. Er knetet und walkt ihn. Keiner weiß, was das soll. Hauptsache, er wirft damit nicht wieder nach anderen oder schmiert ihn ihnen ins Fell – was er leider immer wieder mit kindlicher Freude tut. Bageni bleibt dagegen verschwunden. Er ist scheu, viel zurückhaltender als seine Brüder. Er mag die Schau und den Krawall nicht, den die beiden veranstalten. Er kalkuliert seine Handlungen genau und verdirbt es sich mit niemandem, sondern spielt mit allen, wenn es angebracht ist. Kabirizi ahnt, dass er sein Erbe sein könnte. Wenn er auf Hilfe zählen kann, dann von Bageni, sollten die Söhne seines Vorgängers doch noch einmal versuchen, ihm seine Position streitig zu machen.
Diese beiden Burschen lungern immer noch in der Nähe herum. Sie sind da, auch wenn sie sich unauffällig verhalten. Kabirizi hat sie gehört und er hat sie gerochen. Er hat ihre Schlafnester gefunden und ihren Kot darin. Es riecht nach Feindseligkeit. Zwar hat Kabirizi Buhanga besiegt und fühlt sich ihm gewachsen, selbst wenn sich dieser mit seinem Bruder Karateka zusammentun sollte. Aber der Ausgang eines Kampfes ist letztlich nie gewiss. Deshalb wird er unruhig, wenn er ihre Nähe spürt. Dann versucht er, seine Familie in die entgegengesetzte Richtung zu lenken. Eine Konfrontation will er unbedingt vermeiden. Er ist zwar stärker als sie, doch schwächt ihn die Furcht vor dem Verlust, denn er hat viel zu verlieren. Seine Familie ist zahlreich, kaum je war eine Berggorillafamilie größer als seine. Je größer seine Sippe wird, um so tiefer wird der Sturz, den er fürchten muss. Nur solange er über seine Familie herrscht, ist er mächtig. Besiegt ihn ein anderer, wird der alle Nachkommen, die jünger als drei Jahre sind, töten, damit ihre Mütter schneller wieder empfängnisbereit werden. Mit Kabirizis Nachkommen würde der neue Patron auch die Hoffnung auf den Fortbestand seiner gerade gegründeten Dynastie töten. Deshalb vertraut Kabirizi darauf, dass ihm Bageni beistehen wird, sollte es einmal ernst werden. Er zählt auf ihn, mehr jedenfalls als auf die beiden Spaßvögel Kayenga und Jeshi. Er baut auf Bageni und duldet seine Anwesenheit, selbst wenn er damit riskiert, dass sich das beinahe erwachsene Gorillamännchen dereinst einmal gegen ihn wenden könnte. Sollte Kabirizi seine Familie als Oberhaupt so lange anführen, bis sich das Rückenfell Bagenis grau färbt, wäre eine Konfrontation unvermeidlich. Aber selbst wenn das Alter Kabirizi so geschwächt haben sollte, dass er seinen Platz für Bageni räumen müsste, er gäbe das Zepter wenigstens an einen direkten Nachkommen weiter. So würde auch Kabirizis Macht im Schatten der Vulkane ein wenig weiter fortdauern und mit jeder neuen Generation von Silberrücken, deren Stammvater er ist, würde seine Dynastie ein wenig länger bestehen.
Die Sonne steigt schnell am Äquator. Mit den wärmenden Strahlen, die sich hier und da durch das Blätterdach des Bergregenwaldes stehlen, kommen auch die Fliegen. Sie sind immer da, zumindest solange es hell ist. Sie suchen nach einer Möglichkeit, ihre Eier abzulegen, und was könnte dafür
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