Der Gorilla - die letzten schwarzen Riesen im Kongo
besser geeignet sein als frischer, warmer, feuchter Gorillakot. Die schwarzen Riesen scheiden aufgrund ihrer fast vollständig vegetarischen Kost Unmengen davon aus.
VI
N ichts verdeutlicht den Unterschied, den acht Millionen Jahre Evolution ausmachen können, besser als das erste Zusammentreffen eines Europäers mit einem Berggorilla. Der preußische Hauptmann Friedrich Robert von Beringe leitete 1902 eine Expedition des Deutschen Kaiserreiches, um die Region der Virunga-Vulkane zu erkunden. Am 16. Oktober brach er mit seinem Begleiter, dem Oberarzt Engeland, und einheimischen Trägern zur Besteigung des Vulkans Kirungaya Sabinyo auf. An einem Felsgrat schlugen sie schließlich ihr erstes Lager auf – und dann schrieb von Be ringe Biologiegeschichte. »Von unserem Lager aus erblickten wir eine Herde schwarzer großer Affen, welche versuchten, den höchsten Gipfel des Vulkans zu erklettern. Von diesen Affen gelang es uns, zwei große Tiere zur Strecke zu liefern, welche mit großem Gepolter in eine nach Nordosten sich öffnende Kraterschlucht abstürzten.«
Der Expedition von Beringes gelang es, einen Kadaver zu bergen, zu häuten und das Fell des erlegten Gorillas nach Berlin zu schicken. Dort wurde der menschenähnliche Affe als neue Art identifiziert und zu Ehren von Beringes Gorilla beringei getauft. Die Berggorillas waren für die Wissenschaft entdeckt. Von Beringes Forschung mit der Flinte mutet heute seltsam an, aber zu seiner Zeit war es gängige Praxis, Tiere für naturkundliche Sammlungen zu töten und zu konservieren. Genau genommen kommt die Taxonomie, also die Ein teilung von Arten in ein wissenschaftliches Ordnungssys tem, auch heute nicht ohne das Töten ihres Forschungsgegenstandes aus. Zur Zeit von Beringes, in der sich Europas Großmächte Ländereien auf fremden Kontinenten aneigneten, die wesentlich größer als ihre eigenen Staaten waren, stimmte das niemanden nachdenklich.
Fast 2 500 Jahre zuvor machten Gorillas eventuell schon einmal eine für sie tödliche Bekanntschaft mit Erkundungsreisenden aus dem Norden. Im 6. Jahrhundert vor Christus schickte der im heutigen Tunesien gelegene Stadtstaat Karthago Hanno, einen ihrer fähigsten Admirale, auf eine Expedition mit 60 Schiffen entlang der afrikanischen Westküste. Sein Reisebericht hat sich in einer griechischen Übersetzung erhalten. Es ist nicht genau bekannt, wie weit er nach Süden vordrang, er beschrieb aber unter anderem folgende Begebenheit: »Wir entdeckten eine Insel mit einem See und darin einer weiteren Insel, voll von wilden Menschen. Der größere Teil von ihnen waren Frauen, deren Körper stark behaart waren. Unsere Dolmetscher nannten sie Gorillae. Obwohl wir die Männer verfolgten, konnten wir keinen von ihnen fangen, weil sie über Abgründe flohen und sich mit Steinen verteidigten. Dreier Frauen konnten wir habhaft werden, aber sie griffen ihre Verfolger mit Händen und Zähnen an, und konnten nicht dazu bewegt werden uns zu folgen. Wir mussten sie töten, zogen sie ab und brachten ihre Häute mit nach Karthago.«
Ob Hanno tatsächlich auf Gorillas getroffen war oder ob es sich um Schimpansen oder gar um Pygmäen handelte, ist bis heute nicht geklärt. Im Jahr 2007 wurden allerdings Cross-River-Gorillas in Kamerun dabei beobachtet, wie sie Grasklumpen und Äste gegen Menschen warfen – also jenes Verhalten zeigten, das auch Hanno beschrieb. Die Felle, die der Entdecker mitbrachte, sollen in Karthago noch im Jahr 146 vor Christus im Tempel der Juno gehangen haben, als die Römer die Stadt eroberten und zerstörten.
Mehr als 1 700 Jahre vergehen, bis Gorillas in der Literatur erneut erwähnt werden. 1613 veröffentlichte der englische Reiseliterat Samuel Purchas die erste Ausgabe von »Purchas’ Wanderschaft«. Darin erzählte er, von einem befreundeten Soldaten namens Andreas Battell, der unter spanischem Kommando in Afrika gedient hatte, gehört zu haben »von einer Art grosser Affen, wenn man sie so nennen kann, von der Grösse eines Mannes, aber zweimal so dick in der Gestalt ihrer Gliedmaassen, mit verhältnissmässiger Kraft, über den ganzen Körper behaart, im Uebrigen durchaus wie Männer und Weiber in ihrer ganzen körperlichen Gestalt. Sie leben von solchen wilden Früchten, wie sie die Bäume und Wälder darbieten und wohnen zur Nachtzeit auf den Bäumen.«
1625 schrieb Purchas in einer neuen Ausgabe noch mehr über die Affen: »Hier giebt es auch zwei Arten von Ungeheuern, die in den Wäldern gemein und
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