Der Gorilla - die letzten schwarzen Riesen im Kongo
zuzukrabbeln, scheitert zunächst hilflos. Einige Augenblicke schaut sich Rubiga die Bemühungen ihrer Tochter an, dann streckt sie den Arm nach ihr aus und zieht sie wieder an sich heran. Schließlich kommt der Tag, an dem Ndakasi zum ersten Mal die wenigen Zentimeter zwischen sich und der Mutter eigenständig überwindet.
Nun vergrößert Rubiga die Strecke, die ihre Tochter zu krabbeln hat. Sie legt sie ab und postiert sich etwa 30 Zentimeter vor ihr. Sie stützt sich mit beiden Händen auf den Boden, senkt ihren Kopf bis knapp über die Erde und lockt die Kleine mit wippenden Bewegungen. Ndakasi strengt sich an und robbt in Richtung Mutter. Die nimmt sie anfänglich freudig in Empfang. Als sie erkennt, dass die Tochter die Distanz bald mit Leichtigkeit meistert, wartet sie, bis die Kleine ihr Gesicht fast erreicht hat. Jetzt zieht sie sich weitere 30 Zentimeter zurück und vergrößert damit den Weg, der zu überwinden ist. Anfänglich erstaunt, folgt Ndakasi dem mütterlichen Locken leicht widerwillig.
Zusehends wird die Muskulatur der Kleinen leistungsfähiger. Bald klettert sie sicher über den Körper der Mutter, erklimmt die Wölbung ihres Bauches oder steigt an ihren Armen und Beinen auf und ab. Immer wieder hilft Rubiga ihrem Nachwuchs, sich aufzurichten. An geeigneten Stellen im Wald greift sie die Arme der Tochter, zieht sie hoch und legt die kleinen Hände auf einen Ast. Der Erfolg dieser Übung will sich zunächst nicht einstellen. Ndakasi plumpst sofort wieder auf ihren Hintern. Schließlich begreift sie aber, was notwendig ist, klammert sich so fest sie kann an den Zweig und versucht, mit zitternden Armen und Beinen stehen zu bleiben.
Auch beim Klettern leistet Rubiga wertvolle Unterstützung. Sie hebt Ndakasi immer wieder auf Äste knapp über dem Boden. Die Tochter liegt auf dem runden Holz wie auf dem Arm ihrer Mutter. Unsicher greift sie nach vorne und winkelt ein Bein an. Sie verliert die Balance und droht zu fallen. Doch die Mutter lässt keinen Sturz zu, sondern fängt die verdutzte Ndakasi auf. Unermüdlich platziert Rubiga ihre Kleine auf Ästen oder Baumstümpfen, verhindert sorgsam gefährliche Stürze und animiert so ihren Nachwuchs ganz allmählich dazu, die motorischen Fähigkeiten zu schulen. Immer besser meistern Muskeln, Sehnen und Nerven die gestellten Aufgaben, immer routinierter greifen die Hände nach Halt und tragen Arme und Beine den kleinen Körper Ndakasis. Sie wird sich zu einem prächtigen Gorilla entwickeln.
Die Mutter achtet auch darauf, dass niemand aus dem Gorillatrupp zu ruppig mit ihrer Tochter umspringt. Hatten die anderen das neue Familienmitglied zunächst nur erstaunt und neugierig betrachtet, weckt der kleine Gorilla bald den Spieltrieb der Verwandtschaft. Besonders Ndakasis Bruder Ruzuzi fängt sich so manchen Rüffel von Rubiga ein, wenn er mal wieder an einem Arm oder Bein seines Schwesterchens zerrt und die Kleine ihr Missfallen quäkend kundtut. Kabirizi hingegen hat seine neue Tochter zwar registriert, seine anfängliche Neugier ist indes einer selbstverständlichen Gelassenheit gewichen. Einige wenige Mal fühlt er sich zwar genötigt, vor Rubiga und ihrer Tochter einen kurzen, aber nicht sehr vehement vorgetragenen Imponierlauf zu veranstalten. Das beeindruckt Mutter und Kind aber nicht besonders.
Niemand in der Sippe kann ahnen, dass sich bereits ein gefährlicher Feind dafür rüstet, ihren Wald vollständig einzunehmen und die Herrschaft über ihr Gebiet zu beanspruchen. Es ist ein skrupelloser, mächtiger Anführer, gegen dessen Waffen auch die Drohgebärden und der Kampfesmut des Silberrückens machtlos sind. Weder Kabirizi noch die anderen Berggorillas ahnen, wie nahe der Tod in Form von geladenen Gewehren bereits an sie heranrückt und wie bald erbarmungslos Kugeln auf sie abgefeuert werden.
XIV
S o wechselhaft wie die Geschichte des Kongos ist, so abwechslungsreich ist auch der Verlauf des gigantischen Stroms. Der Kongo ist der vergessene Riese unter den Flüssen der Erde. Nach dem Amazonas schwemmt er das meiste Wasser ins Meer. Jede Sekunde fließen 40 Millionen Liter Süßwasser in die salzigen Fluten des Atlantiks. Noch 20 Kilometer vor der Küste erkennt man aus der Luft sein braunes Wasser, das sich nur langsam mit dem des Meeres mischt. Am Grund des Ozeans hat die Strömung des Kongos eine 150 Kilometer lange Rinne gegraben.
Die etwa 4 500 Kilometer, die er von seinen Quellflüssen bis zur Mündung hinter sich bringt, machen ihn zum
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