Der Gott des Krieges (German Edition)
Axthieb aus.
Larkyen ließ sich auf einen schmalen Felsvorsprung fallen und entging in letzter Sekunde dem Tode.
Nun war er außerhalb der Reichweite von Nordars Waffen.
Larkyen sah zu ihm hinauf.
Mit heiserer Stimme wiederholte Nordar die Worte, die Larkyen an ihre Blutsverwandtschaft erinnern sollte: „Der Krieg liegt dir im Blut!“
Und nun, erneut im Angesicht des Kriegsgottes, spü r te er ihn deutlicher als je zuvor: Diesen Drang zu käm p fen und niemals aufzugeben.
Nordar sprach weiter: „Du kannst das Schicksal dieser Welt nicht verändern, sondern bist selbst ein Teil davon.“
„Zerstörung nennst du Schicksal?“ rief Larkyen. „Ich kann das nicht zulassen.“
„Deine größte Schwäche sind die Menschen“, sprach Nordar. „Die Gesetze der Natur kennst du sehr gut. Du weißt, dass einzig die Starken überleben und die Schw a chen zugrunde gehen. Doch du bist nur bedingt bereit, diese Tatsache zu akzeptieren. Denn das Leid deiner Vergangenheit spukt dir noch immer im Kopf herum. Als der Stamm der Yesugei mitsamt deinem Weib und eurem ungeborenem Kind, deiner Adoptiveltern und all deiner Freunde ausgelöscht wurde, so geschah es dennoch im Einklang mit der Natur. Sie starben, weil sie zu schwach waren. Und in der Vernichtung der Schwachen durch die Starken siehst du ein Unrecht, das du bekämpfen willst. Immer und immer wieder.“
„Das ist mein Schicksal!“
„So sei es. Wir stehen hier am Rande der tiefsten Schlucht dieser Welt. Auf ihrem Grund sollst du au f schlagen. Dein Leib wird zu Brei zerschmettert, doch du wirst nicht sterben. Dein Geist wird sich zwischen Leben und Tod aufhalten, während dein Fleisch und deine Kn o chen heilen. Es wird lange Zeit brauchen, bis du dich e r holt hast, und wenn du dann imstande sein wirst, aus der Tiefe heraus zu klettern, hat sich die Welt bereits nach meinen Vorstellungen verändert.“
Daraufhin erhob der Kriegsgott die Axt aufs Neue und ließ das glühende Blatt niederfahren. Die Wucht des Schlags sprengte ein riesiges Felsstück aus der Wand. E i ne Lawine aus Geröll stürzte auf Larkyen herab und riss ihn mit sich in die Tiefe.
Sein Herz hämmerte wie wild, und durch die rasende Geschwindigkeit des Falls verlor er die Orientierung. Er wirbelte umher … dann ein Aufprall. Etwas durchbohrte seinen Brustkorb. Die Welt vor seinen Augen wurde schwarz, und er versank in einem Meer aus Schmerzen.
Kapitel 6 – Der Berg der drei Stürme
„Larkyen.“ Die Stimme einer Frau hallte in seinem Kopf wider. Er kannte sie nur zu gut, hatte sie viele Tage se i nes Lebens in Freude vernommen. Karas Stimme.
Plötzlich sah er sich im kniehohen Gras der Steppe stehen. Er war wieder der Nomade. Sein wachsamer Blick war auf die Viehherde gerichtet.
Die weißen Jurten des Stammes der Yesugei leucht e ten in der Ferne. Nur zu gern blickte er zu dem Bachlauf, wo die Frau stand, die er so sehr liebte.
Ihr hüftlanges, dunkles Haar wehte im Wind, und im Sonnenschein des warmen Sommertages glänzte es wie feinste Seide.
Kara winkte ihm zu. Ob sie lächelte, konnte er nicht erkennen, in seiner Erinnerung jedoch lächelte sie immer.
Er musste sie aus der Nähe sehen, musste ihr nahe sein.
Die Viehherde war ihm gleichgültig, und er ging zum Lager.
Das hohe Gras scheuerte gegen das Leder seiner H o se. Er konnte es kaum erwarten, sein Weib in die Arme zu schließen.
Nun war es nur noch der Bachlauf, der sie trennte.
„Kara“, seufzte Larkyen.
Ein plötzlicher Windstoß fegte über die Steppe hi n weg, wiegte die Gräser und wehte Larkyen Strähnen se i nes schulterlangen Haares ins Gesicht. Als er sich die Haare beiseite strich, erschrak Kara.
Die Hände abwehrend von sich gestreckt, wich die Frau zurück. Larkyen sah sich überrascht um, doch da war niemand außer ihnen beiden.
„Deine Augen“, hauchte Kara. „Du hast die Augen e i nes Raubtieres. Du bist kein Mensch! Und deine Kle i dung riecht nach dem Blut all derer, die durch dich den Tod fanden. Du bist nicht der Larkyen, den ich kannte.“
Larkyen beugte sich hinunter zum Wasser. Im So n nenschein spiegelte sich sein Gesicht auf der klaren Oberfläche.
Die kantigen Züge offenbarten nur zu sehr seine wes t liche Herkunft. Bleich und glatt war seine Haut, in tiefem Grün jedoch stachen die Augen eines Raubtiers hervor. Früher hatte er so oft ein Lächeln im Gesicht gehabt, he u te blickte er die meiste Zeit ernst drein. In seinem Herzen war ein Schmerz, der niemals verschwinden
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