Der Gott des Krieges (German Edition)
würde. Das war sie also, die Sphäre zwischen Leben und Tod. Eine Heimat für Geister. Und so wunderbar dieser Ort auch sein mochte, wollte Larkyen dennoch nicht inmitten di e ser Trugbilder verweilen. Die Welt der Lebenden war seine Heimat. Er musste zurückkehren.
„Du hast Recht, ich bin nicht mehr der Larkyen, den du kanntest“, flüsterte er Kara zu. „Ich bin schon einmal gestorben. Und durch meinen Tod wurde ich wiedergeb o ren. Ich bin kein Mensch mehr.“
Kaum hatte er diese Worte ausgesprochen, als die Steppenlandschaft und mit ihr sein Weib verschwammen.
Plötzlich hatte Larkyen gewaltige Schmerzen. Er spürte eine heiße Flüssigkeit, die seine Kleidung tränkte, schmeckte den Geschmack von Blut in seinem Mund. Die Realität holte ihn zurück. Der Sturz hätte Larkyen den Viehhirten getötet, doch der war längst gestorben. Larkyen der Sohn der schwarzen Sonne lebte und war b e seelt vom Geist des Kriegers.
Seine Arme und Beine baumelten im Leeren. Ein spi t zes Stück Felsen hatte ihn aufgespießt und ragte aus se i nem Brustkorb hervor. Er brach es mit bloßen Händen auseinander und erhob sich. Langsam ließen die Schme r zen nach, und jede Wunde verheilte, ohne Narben z u rückzulassen.
Larkyen wusste nicht, wie tief er tatsächlich gestürzt war, denn die Wolkenschleier nahmen ihm die Sicht.
Auch konnte er nur anhand der zunehmenden Du n kelheit erahnen, wie viel Zeit verstrichen war. Der Tag neigte sich dem Ende zu.
Larkyen suchte Halt in der sich vor ihm erstreckenden Felswand. Er begann wieder zu klettern. Niemals würde er aufgeben, egal wie tief er fiel.
Rasch gelangte er weiter nach oben. Waren die Felsen zu glatt, so schlug er mit der Faust Löcher in das Gestein, um in ihnen Halt zu finden.
Gedanken suchten Larkyen heim, Gedanken über seine Verluste. Er erinnerte sich erneut an sein Weib Kara, ve r suchte sich diesmal so intensiv wie nie zuvor das gemei n same Kind vorzustellen.
Kara wiegt es in ihren Armen, singt ihm die alten Li e der ihres Volkes vor. Warme Strahlen einer gütigen So n ne benetzen die zarte Säuglingshaut, dann übergibt Kara Larkyen das Kind. Es erscheint so klein und zerbrechlich für seine großen Hände, Götterhände. Er fühlt das reine konzentrierte Leben seines eigenen Kindes. Er hört das kleine Herz schlagen und Tränen sammeln sich in seinen Augen, die Freudentränen eines Vaters, der in einem Moment voller Dankbarkeit mit der ganzen Welt vereint ist.
Das Kind hätte ein Junge sein können, eines Tages so kräftig und hochgewachsen wie Larkyen, die Hautfarbe rotbraun wie bei Kara. Er wäre ein Nomade geworden, der in Freiheit in der Steppe lebt, er hätte ein guter Reiter sein können, ein erfolgreicher Jäger. Ein Mann, der se i nen Weg im Leben geht, der sich in Konflikten behauptet und Tapferkeit kennt.
Es hätte auch ein Mädchen sein können, wunderschön wie ihre Mutter, erfüllt von Güte und Ehrlichkeit, de n noch wäre sie stark gewesen wie Larkyen, vielleicht hätte sie seine grünen Augen gehabt, möglicherweise einen Teil seiner nordischen Gesichtszüge. Sie wäre eine Frau geworden, die jeder der ihr begegnet wäre, niemals hätte vergessen können.
Doch das Kind war nie geboren worden und all diese Momente eines so kostbaren sterblichen Lebens hatte es nie gegeben, Larkyen war darum betrogen worden und er schrie in Wut auf, während sich seine Faust erneut in das Felsgestein grub.
Es war schon Nacht, als Larkyen aus der Schrecken s schlucht hervorkletterte. Wieder sah er zurück auf die a n dere Seite. Der Turm der Festung schimmerte im Mon d licht. Larkyen war sich sicher, dass seine Verbündeten bereits fieberhaft nach einer Möglichkeit suchten, zu ihm zu gelangen. Er hoffte es sogar, doch bis es soweit war, nahm er die Verfolgung allein auf, denn die Zeit drängte.
Larkyen durchquerte ein langes Tal, dessen Hänge von spitzen Felsen gesäumt waren, und musste einen Gle t scher überqueren, bis er schließlich freie Sicht auf den Gipfel des Berges der drei Stürme hatte. Die Fußabdr ü cke Nordars und seiner Begleiter im Schnee verrieten den weiteren Verlauf des Pfades. Steil und in Schlangenlinien führten sie hinauf. Dort oben sollte also ein neues Zeita l ter durch den Kriegsgott Nordar eingeläutet werden. Vi e le Tyrannen hatten in der Geschichte der Welt danach g e strebt, eine Ordnung nach ihren Vorstellungen zu e r schaffen, doch Larkyen hatte nie zuvor erlebt, dass eine uralte Gottheit wie Nordar
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