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Der Gott seiner Vaeter

Der Gott seiner Vaeter

Titel: Der Gott seiner Vaeter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack London
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sagte, es seien viele und gute Männer, die warteten, daß ich ihnen Proviant zum Frühling verschaffte. Als ich aber immer noch nein sagte, nahm sie schnell meine Pistole, und der lange Jeff ging, wie Bruder Bettles sagt, vor seiner Zeit in Abrahams Schoß. Ich schalt Passuk aus, aber sie war nicht traurig, und sie war auch nicht besorgt. In meinem Herzen wußte ich, daß sie recht hatte.«
    Sitka Charley schwieg und warf einige Stücke Eis in die Goldwäscherpfanne auf dem Ofen. Die Männer saßen schweigend da, und es lief ihnen kalt über den Rücken, als sie das Heulen der Hunde hörten, die ihrem Elend in der Kälte vor dem Zelt Luft machten.
    »Und Tag für Tag passierten wir – Passuk und ich – im Schnee die Schlafplätze der zwei Gespenster, und wir wußten, daß wir, bis wir das Salzwasser erreichten, froh sein würden, wenn es uns ginge, wie es ihnen ging. Dann trafen wir den Indianer, der auch wie ein Gespenst war und sich auf dem Wege nach Pelly befand. Der Mann und der Junge hätten nicht gleich geteilt, sagte er, und er hätte seit drei Tagen kein Mehl gehabt. Jede Nacht kochte er Stücke von seinen Mokassins in einer Tasse und äße sie. Er hatte nicht mehr viel Mokassinfell übrig. Und er war ein Indianer von der Küste und erzählte uns viele Dinge durch Passuk, die seine Sprache verstand. Er war fremd am Yukon und kannte den Weg nicht, aber er wollte nach Pelly. Wie weit es wäre? Zwei Schlafzeiten? Zehn? Hundert? – er wüßte nichts, aber er wollte nach Pelly. Er sei zu weit gegangen, um umzukehren, und es bliebe ihm nur übrig, weiterzugehen.
    Er bat nicht um Proviant, denn er konnte sehen, daß wir selbst sehr knapp waren. Passuk sah den Mann und mich an, als sei sie unschlüssig wie ein Schneehuhn, dessen Küken in Not sind. Da wandte ich mich zu ihr und sagte: ›Diesem Manne ist unrecht geschehen. Wollen wir ihm einen Teil unseres Proviants geben?‹ Ich sah ihre Augen wie vor Freude leuchten, aber sie blickte den Mann und mich lange an, und sie preßte die Lippen hart zusammen und sagte: ›Nein. Das Salzwasser ist weit fort, und der Tod lauert auf uns. Er mag lieber diesen fremden Mann nehmen und meinen Mann Charley lassen.‹ Da ging der Mann in die Stille hinein in der Richtung von Pelly. In der Nacht weinte sie. Noch nie hatte ich sie weinen sehen. Es war auch nicht der Rauch vom Feuer, denn das Holz war trocken. Und ich wunderte mich über ihren Kummer und dachte, ihr Frauenmut wäre von der Schlittenreise mit ihrer Dunkelheit und Qual geknickt.
    Das Leben ist ein seltsames Ding. Viel habe ich darüber nachgedacht, und lange habe ich gegrübelt, aber mit jedem Tage wird es nicht weniger seltsam, sondern eher mehr. Woher diese Sehnsucht nach dem Leben? Es ist ein Spiel, das keiner gewinnt. Leben heißt schwer arbeiten und Schlimmes erleiden, bis das Alter über uns kommt und wir unsere Hände in die kalte Asche toter Feuer betten. Es ist schwer, zu leben. Unter Qualen tut das Kind seinen ersten Atemzug, unter Qualen gibt der alte Mann seinen Geist auf, und all seine Tage sind voll von Sorgen und Mühen; und doch geht er immer vorwärts in die offenen Arme des Todes, stolpernd, fallend und bis zum letzten kämpfend. Nur das Leben und was zum Leben gehört, schmerzt. Und doch lieben wir das Leben und hassen den Tod. Es ist sehr merkwürdig.
    Wir sprachen nur wenig, Passuk und ich, in den langen Tagen, die jetzt folgten. Nachts lagen wir wie Tote im Schnee, und morgens gingen wir wie Tote. Und alle Dinge waren tot. Es gab kein Schneehuhn, kein Eichhörnchen, keinen Schneehasen – nichts. Der Fluß gab nicht einen Laut von sich unter seinen weißen Kleidern. Der Pflanzensaft war in den Bäumen der Wälder gefroren. Und es wurde kalt wie jetzt, und nachts kamen die Sterne näher, sie waren groß und hüpften und tanzten, und am Tage neckten uns die Nebensonnen, bis wir viele Sonnen sahen, und die ganze Luft knisterte und funkelte, und der Schnee war wie Diamantenstaub. Und es war keine Wärme, kein Laut – nur die scharfe Kälte und die Stille. Wie gesagt, wir gingen wie tote Leute, wie in einem Traum, und wir berechneten nicht die Zeit. Nur, daß unsere Gesichter immer dem Salzwasser zugekehrt waren, unsere Seelen sich nach dem Salzwasser sehnten und unsere Füße uns nach dem Salzwasser hin trugen. Eines Nachts lagerten wir am Takheena und wußten es nicht. Unsere Augen ruhten auf dem Weißen Pferd, aber wir sahen es nicht. Unsere Füße betraten den Weg am Canyon, aber sie fühlten

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