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Der Gott seiner Vaeter

Der Gott seiner Vaeter

Titel: Der Gott seiner Vaeter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack London
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es nicht. Wir fühlten nichts. Und wir fielen oft am Weg nieder, aber immer fielen wir, das Gesicht gegen das Salzwasser gerichtet.
    Unser letzter Proviant ging dahin, und wir hatten gleich geteilt, Passuk und ich, aber sie fiel öfter nieder, und bei Caribou waren ihre Kräfte erschöpft. Und am Morgen lagen wir in demselben Schlafsack und erhoben uns nicht, um weiterzugehen. Es war mein Gedanke, hier liegenzubleiben und uns im Tod zu begegnen, Hand in Hand, Passuk und ich, denn ich war alt geworden und hatte die Liebe einer Frau kennengelernt. Und es waren noch achtzig Meilen bis nach Haines Mission, und der große Chilcoot, der hoch über die Baumgrenze emporsteigt, erhob sein sturmumpeitschtes Haupt vor uns. Aber Passuk sprach zu mir, ganz leise, die Lippen an mein Ohr gepreßt, daß ich hören konnte. Und jetzt, da sie meinen Zorn nicht zu fürchten brauchte, sprach sie offen zu mir von ihrer Liebe und von vielen Dingen, die ich nicht verstand.
    Und sie sagte: ›Du bist mein Mann, Charley, und ich bin dir eine gute Frau gewesen. Und in all den Tagen, da ich dein Feuer angezündet und dein Essen bereitet und deine Hunde gefüttert und die Paddel geschwungen oder die Fährte für dich getreten, habe ich nicht geklagt. Ich habe auch nie gesagt, daß mehr Wärme in der Wohnung meines Vaters und mehr zu essen am Chilcat war. Wenn du sprachst, lauschte ich. Wenn du befahlst, gehorchte ich. Ist es nicht so, Charley?‹
    Und ich sagte: ›Ja, es ist so!‹
    Und sie sagte: ›In der ersten Zeit, als du nach Chilcat kamst und mich nicht ansahst, aber mich kauftest, wie man einen Hund kauft, und mich fortführtest, da verhärtete sich mein Herz gegen dich, und es war voller Bitterkeit und Furcht. Aber das ist lange her. Denn du bist freundlich zu mir gewesen, wie ein guter Mann freundlich zu seinem Hund ist. Dein Herz war kalt, und es war kein Platz darin für mich, aber du hast recht gegen mich gehandelt, und du warst ein gerechter Mann. Und ich war bei dir, wenn du tapfere Taten verrichtetest und in mutigen Unternehmungen anführtest, und ich maß dich mit den Männern anderer Rassen, und ich sah, daß sie dich ehrten, und deine Worte waren weise und deine Zunge wahr. Und ich wurde stolz auf dich, bis du mein Herz erfülltest und alle meine Gedanken dir galten. Du warst die Mitternachtssonne, die in einem goldenen Kreis läuft und nie den Himmel verläßt. Und wo ich hinsah, sah ich stets die Sonne. Aber dein Herz war immer kalt, Charley, und es war kein Platz darin.‹
    Und ich sagte: ›Es ist so. Es war kalt, und es war kein Platz darin. Aber das ist vorbei. Jetzt ist mein Herz wie der Schnee, der zur Frühlingszeit fällt, wenn die Sonne zurückgekehrt ist.
    Alles taut und beugt sich in mir, es ist ein Geräusch von rinnendem Wasser, und grüne Schößlinge sprießen und keimen. Und die Schneehühner schwirren, die Rotkehlchen singen, und alles ist Singen und Klingen – denn die Macht des Winters ist gebrochen, Passuk, und ich habe die Liebe einer Frau kennengelernt.‹
    Sie lächelte und machte eine Bewegung, um mir zu bedeuten, daß ich sie enger an mich ziehen sollte. Und sie sagte: ›Ich bin froh.‹ Dann lag sie lange still da und atmete tief, den Kopf an meine Brust geschmiegt. Dann flüsterte sie: ›Hier endet die Reise für mich, und ich bin müde. Aber vorher will ich von andern Dingen reden. Vor langer Zeit, als ich ein kleines Mädchen am Chilcat war, spielte ich einmal allein zwischen den Fellbündeln in der Wohnung meines Vaters, denn die Männer waren auf der Jagd, und Frauen und Knaben schleppten das Fleisch herbei. Es war Frühling, und ich war allein. Ein großer brauner Bär, der eben aus seinem Winterschlaf erwacht war, ausgehungert, und mit vor Magerkeit schlotterndem Fell, steckte den Kopf in das Zelt und sagte Uff! Mein Bruder kam mit dem ersten Fleischschlitten angezogen. Und er schlug nach dem Bären mit einem brennenden Scheit aus dem Feuer, und die Hunde, die vor dem Schlitten angeschirrt waren, stürzten sich auf den Bären. Es gab einen großen Kampf und viel Lärm. Sie taumelten in die Gluten vom Feuer. Die Fellpacken wurden umgestürzt, und das Zelt fiel zusammen. Zuletzt lag der Bär da – tot, die Finger meines Bruders in seinem Maul, und das Gesicht meines Bruders trug Zeichen von seinen Krallen. Hast du den Indianer auf dem Weg nach Pelly dir angesehen – seinen Fäustling, der keinen Daumen hatte, und seine Hand, die er an unserem Lagerfeuer wärmte? Es war mein Bruder, und

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