Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Gott seiner Vaeter

Der Gott seiner Vaeter

Titel: Der Gott seiner Vaeter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack London
Vom Netzwerk:
ich sagte, er solle keinen Proviant haben. Und er ging fort in die Stille ohne Proviant.‹
    So, meine Brüder, war die Liebe Passuks, die im Schnee am Caribou starb. Es war eine große Liebe, denn sie verleugnete ihren Bruder um des Mannes willen, der sie auf eine lange Reise und in einen qualvollen Tod geführt hatte. Und so groß war die Liebe dieser Frau, daß sie sich selbst verleugnete. Ehe ihre Augen sich zum letztenmal schlossen, nahm sie meine Hand und steckte sie unter ihre Parka aus Eichhörnchenfell. Und an ihrem Gürtel hing ein wohlgefüllter Beutel, und ich verstand, was der geheime Grund ihrer Schwäche war. Die zweite Hälfte des Proviants war in den wohlgefüllten Beutel gewandert.
    Und sie sagte: ›Hier endet die Schlittenreise nur für Passuk, aber dein Weg, Charley, führt weiter über den großen Chilcoot und nach Haines Mission und dem Meer. Und er führt weiter und immer weiter im Schein vieler Sonnen, durch unbekannte Länder und fremde Gewässer, und du wirst satt von Jahren und Ehre und Ehrenbezeigungen. Er führt dich in die Wohnungen vieler Frauen und guter Frauen, aber nie wird er dich zu größerer Liebe führen, als die Liebe Passuks war.‹
    Und ich wußte, daß die Frau die Wahrheit sprach. Aber ich wurde von Wahnsinn ergriffen, und ich warf den vollen Beutel von mir und schwor, daß auch für mich die Reise zu Ende sei, bis ihre müden Augen sich von Tränen verschleierten und sie sagte: ›Unter Männern ist Sitka Charleys Namen immer mit Ehren genannt worden, und immer hat er die Wahrheit gesprochen. Soll er jetzt die Ehre vergessen und leere Worte am Caribou sprechen? Denkt er nicht mehr an die Männer von Forty Mile, die uns ihren besten Proviant und ihre besten Hunde gaben? Immer ist Passuk stolz auf ihren Mann gewesen. Laß ihn sich erheben, seine Schneeschuhe anschnallen und seinen Weg gehen, daß er sich seinen Stolz bewahren kann!‹
    Und als sie in meinen Armen erkaltete, stand ich auf, nahm den vollen Beutel und wankte davon auf der Schlittenfährte, denn meine Knie waren schwach, mein Kopf schwindelte, und es rauschte mir vor den Ohren und knisterte von Feuerflammen vor meinen Augen. Die Erinnerung an die vergessenen Reisen meiner Knabenzeit stand wieder vor mir. Ich saß an den vollen Töpfen des Potlachs, ich erhob meine Stimme zum Gesang und tanzte zu den Liedern der Männer und der jungen Mädchen und zum Lärmen der Walroßtrommel. Und Passuk hielt meine Hand und ging neben mir. Wenn ich mich schlafen legte, weckte sie mich. Wenn ich stolperte und fiel, hob sie mich auf. Wenn ich mich in dem tiefen Schnee verirrte, führte sie mich auf die Schlittenspur zurück. Und so, wie ein Mann, der seines Verstandes beraubt ist, der seltsame Gesichte hat und dessen Gedanken von Wein benebelt sind, so erreichte ich Haines Mission am Meer.«
    Sitka Charley schlug die Zeltzipfel zurück. Es war Mittag. Im Süden – gerade über dem düsteren Henderson-Paß – erhob sich die kalte Sonne. Zu beiden Seiten flammten die Nebensonnen. Glitzernder Reif flimmerte in der Luft wie Altweibersommer. Im Vordergrund, neben der Schlittenspur, saß ein Wolfshund. Die Haare sträubten sich ihm vor Kälte, und er hob seine lange Schnauze gen Himmel und heulte laut.

Wo die Wege sich trennen

    »Muß i denn, muß i denn zum Städtle ‘naus,
    Und du, mein Schatz, bleibst hier?«
    Schwäbisches Volkslied

    Der Singende, ein Mann mit scharfgeschnittenen Zügen und heiteren Augen, beugte sich vor und goß Wasser in einen Topf mit kochenden Bohnen. Dann stand er auf und verjagte mit einem Stock die Hunde von Proviantkiste und Kochgeschirr. Seine Augen waren blau, sein langes Haar schimmerte wie Gold, er war so frisch und behäbig, daß es eine Freude war, ihn anzusehen.
    Der Neumond stand als undeutlicher Halbkreis über der weißen Reihe dichter, schneebedeckter Kiefern, die das Lager einrahmten und von der Umwelt trennten. Über ihnen in der kalten, klaren Luft tanzten die Sterne wie unter hastigen, zitternden Pulsschlägen. Im Südosten verkündete ein schwacher grünlicher Schimmer, daß die prunkenden Feste des Nordlichts ihren Anfang nehmen wollten. Im Vordergrund lagen zwei Männer auf dem Bärenfell, das ihr Bett bildete. Zwischen dem Bärenfell und dem Schnee befand sich eine sechs Zoll dicke Schicht von Kiefernzweigen. Die Decken waren zurückgeschlagen. Hinter ihnen hing ein Schutzsegel, das sie gegen den Wind schirmte – ein Stück Sackleinen, das zwischen zwei Bäumen ausgespannt war

Weitere Kostenlose Bücher