Der Gott von Tarot
meinte er vorwurfsvoll.
„Natürlich. Das Beste, was es gibt, um Mut zu machen.“
„Mut!“ Bruder Pauls Zorn stand kurz vor der Explosion. „So etwas brauche ich nicht. Mein Orden lehnt den Alkohol ab, ebenso wie andere das Gehirn beeinträchtigende Drogen. Gib mir Wasser.“
„Hier gibt es kein Wasser. Das ist eine Wüste“, meinte Therion ungerührt. „Verdammt dein Orden wirklich den Alkohol?“
„Nein. Der Heilige Orden der Vision verdammt nichts und niemanden, denn das widerspräche dem freien Willen. Er mißachtet lediglich jene Dinge, die man am leichtesten mißbraucht. Man erwartet von jedermann, daß er seine eigenen Regeln in fleischlichen Dingen aufstellt. Aber nur diejenigen, deren Regeln auch passen, steigen innerhalb des Ordens auf.“
„Ach du liebe Güte“, meinte Therion geringschätzig. „Du bist also der Sklave der Verbote deines Ordens und wagst es nicht einmal, dies zuzugeben?“
„Nein!“ Bruder Paul schluckte den Rest des Getränks herunter und gab damit seinem brennenden Durst nach.
Die Wirkung trat sofort ein. Seine Glieder prickelten; der Kopf fühlte sich angenehm leicht an. Das war aber ein gutes Gebräu!
Bruder Paul trat dem Drachen entgegen, der immer noch grinsend zwischen ihm und dem Schloß stand. „Ich habe genug von dir, Versuchung. Geh mir aus dem Weg!“
„Versuch’s doch, Matschkopf!“
Bruder Paul zog das blitzende Schwert. Drohend trat er einen Schritt nach vorn und zwang die Bestie zurück. Als sie jedoch nicht weiter zurückwich, schlug er mit aller Kraft zu – und spaltete den furchterregenden Kopf. Es floß wirklich kein Blut, der Kopf enthielt nur ein schwammartiges Material wie geschäumtes Plastik.
Die Kreatur gab mit einem Zischen, als entströme ihr Dampf, den Geist auf und fiel mit krampfhaft zuckenden Gliedmaßen hinterrücks in den Sand.
„Nun, das habe ich wohl geschafft“, meinte Bruder Paul und wischte den grünen Schleim von der Klinge, indem er sie durch den Sand zog.
„Das ist wahr“, stimmte Therion zu.
„Dann laß uns zum Teufel nun zum Schloß gehen, ehe der Drache wieder zum Leben erwacht.“
„Gut gesagt.“
Doch nun stand ein neues Hindernis zwischen ihnen und ihrem Ziel. Es war ein weiterer Kelch – der mit dem Siegerkranz. Die geflochtenen Zweige und Blätter ragten hoch und grün über den Rand hinaus. Es war kein vollständiger Kranz; vielmehr hatte er eine Lücke.
„Nimm ihn“, drängte Therion. „Du hast ihn errungen. Du hast die Versuchung getötet.“
Bruder Paul dachte nach. „Ja, wahrscheinlich habe ich das.“ Irgendwie war er nicht ganz zufrieden, doch das angenehme Getränk putschte ihn immer noch auf. „Warum nicht?“
Er streckte die Hand aus und griff nach dem Kranz aus dem meterhohen Kelch. Komisch, daß auch dies in seiner Vision vom Schloß enthalten war; hatte ihm seine Wahl eines Kelches auch alle anderen gewährt? Irgendwie nahm sein Abenteuer einen anderen Verlauf, als er sich dies vorgestellt hatte.
Er setzte sich den Kranz auf den Kopf. Er paßte gut und fühlte sich wunderbar an.
„Sehr schön“, meinte Therion bewundernd. „Du siehst wie ein richtiger Eroberer aus.“
Ja, es war die Arkane Sieben, der Wagen, der Eroberer, oder? Mit den sieben Kelchen darüber. Bruder Paul bückte sich, um sein Ebenbild in der glänzenden Oberfläche des Kelches zu betrachten. Und erstarrte.
Sein Ebenbild war ein Totenschädel. Ein grinsender Knochenschädel mit vorstehenden gelben Zähnen und großen, kantigen Augenhöhlen.
Entsetzt zuckte Bruder Paul zurück. Irgend etwas kam ihm in den Sinn, etwas so Grauenerregendes …
Nein. Er klammerte es aus. Dies war nur ein Spiegelbild, nichts Übernatürliches. Er zwang sich, noch einmal hinzusehen. Wieder ein Totenkopf.
Versuchsweise bewegte er sein
Weitere Kostenlose Bücher