Der Gott von Tarot
scheiterte. Nun wurde er schon wütender und verspürte den Drang, dieses Ding einfach aus dem Weg zu hauen, doch er unterdrückte diesen Impuls. Statt dessen steckte er das Schwert zurück und versuchte, mit den Händen die Versuchung aus dem Weg zu räumen. Doch der Drache war zu schwer und lang, als daß es ihn hätte tragen können. „Mit halbherzigen Maßnahmen kannst du mich nicht besiegen“, sagte er mit einem phänomenalen, dreißig Zentimeter breiten Grinsen.
Bruder Paul geriet ins Schwitzen. Offensichtlich konnte ihn das Ding wirklich aufhalten, wenn er sich weigerte, mit ihm zu kämpfen. Doch er zögerte immer noch. Er wandte sich an Therion. „Du bist mein Führer. Was empfiehlst du?“
„Du mußt einen gemeinsamen Boden finden, auf dem du ihm begegnest. Die Versuchung nimmt vielerlei Gestalt an. Vielleicht paßt dir eine davon.“
Bruder Paul dachte darüber nach. Vielerlei Gestalt – konnte man das wörtlich nehmen? Körperlich? „Ich möchte dir nicht mit dem Schwert kommen, Biest“, sagte Bruder Paul. „Aber du mußt aus dem Weg. Gibt es kein weniger zerstörerisches Mittel, den Gegenstand zu erörtern?“
„Ich treffe dich an der Front, du Hühnchen“, spottete der Drache. Ein Teil des Grinsens blieb, weil es ihm nicht gelungen war, es aus den letzten Maulwinkeln zu entfernen.
„Und mit bloßer Hand? Können wir uns in menschlicher Gestalt begegnen?“
Der Drache verschwand. An seiner Stelle stand ein Mann, riesig und muskulös, mit gelben Augen, rotem Gesicht, blauen Hörnern und einer Warzennase. Und jenem dauerhaften Grinsen. „Was sagst du nun, du Feigling?“ fragte der Dämon.
„Ich sage, wenn Jakob mit dem Engel des Herrn kämpfen konnte, dann kann auch ich mit der Versuchung kämpfen“, entgegnete Bruder Paul. Nun fühlte er sich besser. Das war eine Judosituation, und darin kannte er sich aus. Er konnte seinen Gegner in die Knie zwingen, ohne ihn zu verletzen.
„Ich kenne keinen Jakob.“
„,Und Jakob stand auf in der Nacht und nahm seine beiden Frauen und die beiden Mägde und seine elf Söhne und zog an die Furt des Jabbok, nahm sie und führte sie über das Wasser, so daß hinüberkam, was er hatte, und blieb allein zurück. Da rang ein Mann mit ihm, bis die Morgenröte anbrach.’ Dies stammt aus der Bibel: Das Erste Buch Mose, Kapitel 32.“ Bruder Paul hielt inne in der Erwartung, der Drache würde über die Bibel spotten, wurde jedoch enttäuscht. Aber natürlich war dies nicht ein Dämon aus den infernalischen Regionen, sondern jener, der innerhalb eines jeden Menschen wohnt; er würde mit dem Heiligen wie auch dem Unheiligen gut vertraut sein. Es mochte höchstens sein, daß er diese besondere Geschichte nicht kannte.
„Oh, der Jakob!“ rief der Dämon spöttisch. „Das war ein ganz schön schwächlicher Engel, der nicht einmal einen Sterblichen schlagen konnte. Er hätte sogar verloren, wenn er nicht einen gemeinen Griff angewandt hätte.“
Bruder Paul erinnerte sich. „,Und als er sah, daß er ihn nicht übermochte, schlug er ihn auf das Gelenk seiner Hüfte, und das Gelenk der Hüfte Jakobs wurde über dem Ringen mit ihm verrenkt.’ Das klingt aber eher nach einem Beinschluß als einem unerlaubten Schlag – Hebelwirkung auf den Schenkel, um den Hüftwurf auszuführen.“
„Das, Gelenk seiner Hüfte’ ist ein Euphemismus für die Hoden“, beharrte der Dämon. „Der Engel hat Jakob in die Eier getreten.“
„Vielleicht“, gab Bruder Paul zu. „Darüber kann man sich streiten. Doch weiter unten wird es erwähnt als ‚Muskelstück auf dem Gelenk der Hüfte’, und er hat auch eine respektable Familie gezeugt.“
„Nicht, nachdem er mit dem Engel gerungen hat.“
Bruder Paul breitete die Hände aus. Er hatte diesen Kampf mit dem Dämon für physisch
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