Der Gott von Tarot
Schulter des Dämons und setzte den linken Fuß ein, um den rechten Fuß des Dämons fortzuschieben. Es war der o uchi gari oder ‚große innere Haken’ des Judo.
Der Dämon fiel in den Sand, als sei er auf einer Bananenschale ausgeglitten. Bruder Paul trat über ihn hinweg und ging weiter auf das Schloß zu. Das war erstaunlich leicht gewesen!
Aber wieder stand der Dämon vor ihm. „Sehr clever, Sterblicher! Aber die Versuchung läßt man nicht so leicht hinter sich. Du kannst mich tausendmal umwerfen, und immer wieder werde ich vor dir stehen, denn mich besiegt nicht eine einzige Handlung.“
Bruder Paul trat wieder auf ihn zu. Der Dämon wappnete sich gegen das Manöver, das ihn zuvor umgeworfen hatte, doch dieses Mal ergriff Bruder Paul mit der Linken seinen rechten Arm und zog ihn ruckartig nach vorn. Sein rechter Arm stieß nach vorn, als wolle er den unzugänglichen Hals des Wesens umfassen. Der Dämon lachte verächtlich, zuckte zurück und widerstand sowohl dem Wurf als auch der Umklammerung.
Bruder Pauls rechter Arm fuhr weiter über den Kopf des Dämons, verfehlte ihn aber total. Er drehte sich herum, als habe er sich hoffnungslos verwickelt, und fiel in den Sand. Doch das Gewicht seines herabfallenden Körpers zog den Dämon mit über den Rücken herab. Das war solo makikomi, der äußere Umklammerungsgriff, eine sonderbare und starke Opfertechnik. Schwer fiel der Dämon zu Boden und Bruder Paul über ihn; dieser Wurf besaß einen solchen Schwung, daß ein gewöhnlicher Mensch häufig dabei bewußtlos wurde. Sogleich wirbelte Bruder Paul herum, schleuderte den Dämon aufs Gesicht und wendete einen komplizierten Armgriff an, einen der kansetsu waza. Vielleicht hatte der Dämon kein Blut, aber er hatte bestimmt Gelenke, und diese konnte man wie bei einem gewöhnlichen Menschen unter Druck setzen. Man konnte ein Gelenk auf diese Weise brechen, aber er wollte lediglich soviel Hebelwirkung ansetzen, daß das Wesen nachgab. In dieser Position gab es für die Kreatur keine Möglichkeit, zurückzuschlagen; sie konnte weder beißen noch treten noch würgen.
Er drückte auf den Arm und bog geschickt den Ellenbogen zurück. Der Dämon schrie auf. „Ergibst du dich?“ fragte Bruder Paul und gab leicht nach.
Statt einer Antwort verwandelte sich der Dämon wieder in den Drachen, seine ursprüngliche und vielleicht natürliche Gestalt. Bruder Paul hielt eines seiner Beine, doch die Gelenke waren anders, und er konnte den Griff nicht weiter anwenden. Die Kiefer des Ungeheuers öffneten sich, die orangefarbene Zunge zuckte heraus, um wie eine Peitsche über Bruder Pauls Gesicht zu lecken. Er mußte rasch loslassen.
„Du hast es also nicht ausgehalten“, sagte Bruder Paul zu dem Drachen. „Du hast verloren!“
„Die Versuchung verliert nie; sie wird lediglich zurückgeschlagen, um mit neuer Kraft aufzuerstehen. Ich hindere dich immer noch.“ Und der Drache stand erneut zwischen Bruder Paul und dem Schloß.
Bruder Paul wandte sich an Therion, der die ganze Zeit über unschuldig an der Seite gestanden hatte. „Was sagst du nun, Führer?“
„Trink etwas“, sagte Therion und reichte ihm einen hohen, kühlen Kelch mit einer Flüssigkeit.
„Ich brauche kein …“ wollte Bruder Paul schon antworten, doch er war wirklich durstig, und in dieser Situation war ein Erfrischungstrunk angemessen und verlockend. Vielleicht war er zu erhitzt und besorgt, um auf das Nächstliegende zu kommen – was immer es sein mochte. Mit einem klareren, kühleren Kopf könnte er vielleicht rasch die Lösung dieses Problems erraten. Er nahm den Trank entgegen.
Es war ein köstliches, schweres Gebräu, doch nach dem ersten Schluck hielt er inne. „Das ist doch etwas mit Alkohol!“
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