Der Gott von Tarot
Konkurrenzkasino? Mit dem Fuß löste Paul den Alarmknopf aus.
Der Kasinobildschirm flackerte auf. „Was gibt es für ein Problem?“ fragte der Saalmanager, und selbst auf dem Fernsehschirm wirkte sein Blick durchbohrend.
„Anschuldigung, zweite Karten ausgeteilt zu haben“, sagte Paul und deutete mit dem Kopf in Richtung des Anklägers.
Der Manager sah sich den Mann an. „Wir haben es nicht nötig zu täuschen, Sir. Der Anteil des Hauses sorgt gut für uns. Das Kontrollspiel wird …“
„Nein!“ sagte der Mann.
Der Manager erfaßte sogleich die Lage. Er war von rascher Auffassungsgabe; dafür wurde er ja schließlich auch bezahlt. Die Anzahl seiner Mittel und Möglichkeiten war größer als die Pauls, und er zog gelassen an seinen Registern. „Spiel noch einmal, Paul. Wie du es immer machst. Zeig es ihm.“
Paul lächelte. Man hatte ihm gerade die Zügel gelockert. „So wäre es weitergegangen, wenn ich getrickst hätte“, sagte er und nahm das Kontrollspiel. „Keine dieser Karten reicht für eine Wette. Das ist nur eine Demonstration.“ Das Zeichen NEGATION leuchtete auf.
Er teilte die Karten aus wie zuvor, den gleichen Leuten in der gleichen Reihenfolge. Miß Lochstickerei war fasziniert; das war so ungefähr das Aufregendste, was den ganzen Abend über passiert war. Dieses Mal zeigten Pauls Hände ihre versteckte Zauberkraft; seine eigenen Karten lagen immer recht hoch und ließen das Haus zum hundertprozentigen Gewinner werden. Doch es sah genauso aus, als sei es ein ehrenwertes Spiel.
„Wir stellen die besten Trickspieler ein, damit sie nicht gegen uns spielen“, sagte der Manager vom Bildschirm herab. Vielleicht dachte er daran, wie Paul selber eingestellt worden war. „Aber unsere Spiele sind ehrlich. Wir nehmen zwanzig Prozent, und die Aufzeichnungen stehen der Öffentlichkeit zur Untersuchung zur Verfügung. Wir haben es nicht nötig, irgend jemanden zu betrügen, und wir wünschen es auch nicht, aber wir können es uns auch nicht leisten, uns von irgend jemanden zu betrügen lassen. Sind Sie nun zufrieden, Sir? Oder wollen Sie uns zwingen, gegen Sie wegen übler Nachrede Klage zu erheben?“
Das war hoch gereizt! Eine Anklage wegen übler Nachrede würde nichts bewirken, aber mit ein wenig Glück würde der Kunde das nicht wissen. Der Manager zeigte, wie Professionelle spielten: mit dicken Nerven und Eleganz.
Grollend wandte sich der Herausforderer ab. Der Blick des Managers flackerte zu Paul. „Mach eine Pause; der Kundenstrom ist unterbrochen.“ Der Kundenstrom war wichtig; die Leute sollten sich wohlfühlen, wenn sie von Spiel zu Spiel und von einer Unterhaltung zur anderen gingen und ihren Kredit verspielten. Kundenstrom bedeutete Geldstrom.
Paul schloß seinen Tisch. Miß Lochstickerei zögerte zu gehen. Offensichtlich spielte sie mit dem Gedanken, etwas zu sagen, doch er ignorierte sie bewußt. Sie zuckte die Achseln und nahm ihre Chips mit an einen anderen Tisch.
Aber der zornige Spieler war noch nicht fertig. Er war ein schlechter Verlierer bis auf die Knochen. Er folgte Paul – nicht zu auffällig, weil er nicht aus dem Kasino hinausgeworfen werden wollte, aber auch nicht zu unauffällig.
Paul spazierte durch den Ballsaal, wo sich im Moment die Siebziger vergnügten; auf einer erhöhten Bühne stellten sich leicht disharmonisch spielende Gruppen dar, die eher laut als gut spielten, und die Leute tanzten entweder allein oder zu Paaren dazu. Eine junge Frau in enganliegendem Anzug sang in ein Mikrophon, dessen Mundstück und Ständer herausfordernd phallisch geformt waren; sie hielt es mit beiden Händen dicht an den wohlgeformten Busen und nahm es fast in den Mund. Mikros waren seit den Siebzigern
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