Der Gott von Tarot
eigentlich überflüssig geworden; sie dienten mehr einem symbolischen als einem praktischen Zweck.
Paul sah zu seinem Verfolger hinüber, als er die Bühne umrundete. Er fand einen Tisch am Rand, setzte sich und zwang den Mann, sich an einem anderen Tisch niederzulassen, wo die Lautstärke ohrenbetäubend war. Laute Musik hatte erotische Anreizkraft; das war das Geheimnis. Die Mitglieder der damaligen Gruppen waren für ihre Verführungen berüchtigt, und vielleicht hatten die Groupies, die sich um diese Verführungen so gerissen hatten, den Grund für diese Anziehungskraft nicht begriffen. Jene, die Sex nicht mochten, wurden von der Lautstärke abgeturnt, ohne zu begreifen, warum; ihre Proteste, es sei ‚schlechte Musik’, gegen die sie etwas hätten, wurden von der nachfolgenden Generation nur mitleidig belächelt.
Natürlich erschien sofort eine Kellnerin, eine richtige, menschliche, weibliche Kellnerin, Stück aus einer vergangenen Zeit und nicht eines von den modernen Tisch-Terminals. „Wodka pur“, sagte Paul und machte eine winzige Geste, die Einverständnis andeuten sollte. Sie erkannte ihn als einen Angestellten und nickte; nach einem Moment brachte sie ihm reines Wasser in einem Wodkaglas. Er zeigte seine Kreditkarte, und sie steckte sie in ihr Terminal mit dem Schlüssel OHNE BEZAHLUNG. Den Kunden an den anderen Tischen blieb das alles verborgen. Der Mann mußte einen richtigen Drink bestellen – und Paul vermutete, daß er Antialkoholiker war. Diese Art von Leuten war das oft. Die Sache versprach lustig zu werden.
Der Banjospieler trat auf der Bühne nach vorn, um seinen Solopart zu spielen; er beugte sich so tief in den Knien, daß das gewölbte Instrument direkt zwischen seinen Beinen hing. Den Hals reckte er in fast rechtem Winkel nach vorn. Die Finger tanzten über die straff gezogenen Saiten in der Lendengegend, während er das Banjo orgiastisch auf und nieder riß und die Musik herauspreßte. Paul lächelte; in diesen Zeiten legte man zwar keinen Wert auf gute Musik, aber man hatte gelernt, Symbole richtig einzusetzen.
Der Kunde am anderen Tisch versuchte, seinen Blick zu meiden, doch die Musik dröhnte gnadenlos auf ihn ein. Sicher war er ein Puritaner. Die Frage war nur, warum er in ein derartiges Etablissement gekommen war. War er Agent eines Konkurrenz-Kasinos? Das war unwahrscheinlich; er wirkte zu unbeholfen und hätte sich bei der Blackjack-Sache nicht so tolpatschig benehmen dürfen. Konnte es sein, daß er Angehöriger der Bundespolizei war und sie auf Täuschungen und Falschspielerei untersuchte? Wiederum: zu unbeholfen. Die Tage, in denen man Behördenagenten gut identifizieren konnte, waren lange schon vorbei; die Bundespolizei stellte nur echte Profis ein, wie jede andere Firma auch. War er ein Abgesandter der Mnem-Front, der sichergehen wollte, daß Paul sie nicht verriet?
Nein, das einzig Einleuchtende schien zu sein, daß er ein schlechter Verlierer war und nach einem Ausweg suchte, sich zu rächen. Der Mann hatte nicht einmal viel Geld verloren; es handelte sich eher um einen Statusverlust, weil ihn Paul und das Management ausgetrickst hatten, und das hätte er voraussehen müssen. Kein Amateur hatte gegen die Professionellen eine Chance. Die Spiele wurden ehrlich betrieben, und wenn einmal getrickst wurde, dann auf so unauffällige Weise, daß jemand wie er es niemals merken würde. Paul selber konnte beim Blackjack gewinnen, ohne die Karten auch nur im geringsten zu manipulieren, indem er einfach alle ausgeteilten Karten im Kopf behielt und seine Wetten entsprechend den noch ausstehenden Karten setzte. Manchmal
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