Der Gott von Tarot
arbeitete er für das Management, indem er so spielte, demonstrierte so auf eindrucksvolle Weise, daß man das Haus nicht schlagen konnte und zog auf diese Art mehr Kunden an. Natürlich war es sein durch Mnem erweitertes Gedächtnis, welches ihm dies ermöglichte; die regulären Kunden, als Klasse, kamen gegen diese Verhältnisse nicht an. Manchmal schafften das glückliche Individuen, aber das wurde durch die unglücklichen mehr als ausgeglichen.
Dieser Gedanke machte ihn traurig. Das würde er nicht mehr schaffen – gegen alle Vernunft zu gewinnen. Er hatte eine Menge aufgegeben, als er Mnem entsagte. War es der Sache wirklich wert?
Er stellte sich eine junge Frau vor, die sich aus einem Polizeihubschrauber stürzte. Vielleicht würde diese Erinnerung ausgelöscht durch die Mnem-Entzugserscheinungen.
Paul trank sein Wasser aus und ging. Der Kunde folgte ihm. Sie kamen an dem Glücksrad vorbei – und das erinnerte Paul an das Tarotspiel. Die Arkane Zehn war das Glücksrad. Sicher erhöhten diese Räder das Vermögen von einigen Kunden – und brachten sie auch wieder auf Null! Aber das Tarot wiederum erinnerte ihn an Schwester Beth vom Heiligen Orden der Vision, das Mädchen, das er getötet hatte. Voller Kreis, als sich das Glücksrad drehte. Er konnte nicht vor sich selber fortlaufen. Und das zerstörte etwas in ihm.
Paul dreht sich um. Der Mann stand direkt hinter ihm. „Was wollen Sie?“ fragte er.
„Ich will mein Geld zurück“, erwiderte der Mann.
Paul holte seine Kreditkarte heraus. „Wie hoch ist Ihr Verlust?“ fragte er.
„Nicht so. Ich will es zurückgewinnen! Ich will Sie schlagen.“
Was für ein Idiot! „Sie können mich nicht schlagen. Ich spiele für das Haus; auf lange Sicht fällt der Prozentsatz mir zu.“
„Ich kann Sie schlagen – wenn wir Mann gegen Mann spielen.“
„Gut“, stimmte Paul zu, nur aus dem Wunsch heraus, den Ärger loszuwerden. „Mann gegen Mann. Welches Spiel?“
„Kennen Sie Akkordeon?“
„Ich kenne es. Da verliere ich nie, wenn es auf meine Art gespielt wird.“
„Ihre Art, einverstanden“, stimmte der Mann zu. Sein dummer, unbegründeter Stolz trieb ihn zum äußersten.
„Tarotkarten. Trümpfe halbwild.“
„ Halb wild?“
„Jede der zweiundzwanzig Trumpfkarten schlägt jede Farbe – aber kein Trumpf hat eine Zahl; daher kann er keine Normalkarte stechen. Trümpfe sind passiv wild; sie verschwinden lediglich.“
„Und wenn die letzte Karte ein Trumpf ist?“
Doch nicht so naiv! „Die Karte ist wild, bis sie bezeichnet wird. Dann friert sie ein.“
Der Mann schüttelte verwundert den Kopf. „Halbwildes Tarot-Akkordeon!“
„Besteht die Herausforderung weiter?“ lockte Paul ihn.
Der Mann runzelte die Stirn. „Ja. Identisches Kontrollspiel, separate Würfel, Täuschungsmesser angestellt.“
„Natürlich“, stimmte Paul zu. „Es geht um die Höhe der bisherigen Verluste.“ Vielleicht war dies doch ein Spaß, und der Bursche hatte darum gebeten. „Nur ein Spiel“, sagte Paul, um eine neue Herausforderung zu vermeiden.
Sie gingen zum Akkordeontisch. Sie setzten sich in gegenüberliegenden Zellen nieder. Die mechanische Austeilmaschine gab ihnen die Karten, doch sie konnten die des anderen nicht sehen.
Paul konnte sogar fast ein offenes Akkordeon gewinnen, weil der Erfolg hauptsächlich auf dem Erinnerungsvermögen an die ausgeteilten Karten beruhte. Wenn es ihm gestattet war, vor dem Spiel die Reihenfolge der Karten auf dem Ausdruckbildschirm zu sehen, auch nur für eine einzige Sekunde, dann ließ ihn sein durch Mnem intensiviertes Gedächtnis das gesamte Spiel hindurch die Karten wie aufgereiht vor ihm liegend sehen. So konnte er seine Strategie auf einer
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