Der Gott von Tarot
er hatte an eine Mann-gegen-Mann-Sache geglaubt. Diese Situation Mann gegen Kind fand er ungeheuer fremdartig.
Doch sie hatten es so bestimmt. Wenn er hier reinkommen wollte, mußte er sich schon bewähren.
Er konzentrierte sich auf das Kind Karrie. Sie hatte mit schockierender Direktheit ihre Kampfbereitschaft kundgetan. Das war eine ebenso echte Auseinandersetzung, wie es der Judokampf mit dem Gelben gewesen wäre, und der Sache noch angemessener. Die kleine Karrie hatte ihn aufgefordert, sich aus dem Staub zu machen und zwar mit Hilfe einer unfreundlichen Bezeichnung der Farbe seines Hinterteils. Das mußte er zurückweisen, die Beleidigung gegen den Angreifer wenden sowie einen Reim finden, falls das möglich wäre.
„Ich kneif den Arsch zusamm’n, wenn du benutzt ’nen Kamm“, sagte er – und verspürte sofort Ekel vor sich selber. Die Zurückweisung und den Reim hatte er hingekriegt, doch es war ein schwacher Angriff. Ein Mädchen ihres Alters würde das so machen wie sie wollte. Oftmals war es Punkt des Stolzes, sich nicht zu kämmen; daher hatte er eigentlich keinen Punkt gemacht. Er hatte nur demonstriert, daß er mitmachen wollte.
Sie schnappte zurück: „Ich nehme den Kamm schon, schieb ihn dir in den Chrom.“ Sie hielt inne und schlug dann weiter zu: „Mit Schaum.“
Das war nicht sehr kindlich, trotz ihres Alters. Chrom spiegelte nämlich weiß und nicht schwarz, und Schaummittel wurden von Minderheiten zur Verhütung angewendet. Punkt für sie; sie hatte sein Konzept zu seinem Nachteil übernommen.
„Wenn deine Mama Schaum reingesteckt hätte, wärest du nie rausgekommen“, sagte er. Kein Reim, aber die Beleidigung war schärfer; legte nahe, sie sei ein Betriebsunfall gewesen, ein ungewolltes Kind. Es war schwierig, alles unter einen Hut zu bekommen: Schlagkraft, Reim, Beleidigung, ohne großartig Zeit zum Nachdenken zu haben. Aber genau das machte es zu einer solchen Herausforderung. Auch die meisten Schwarzen waren darin nicht wirklich gut, weil es ihnen an Geistesgegenwart fehlte. Wenn er damit fertig wurde, würde das mehr als ausreichen, seinen genetischen Mangel auszugleichen. Aber zu spät fiel ihm nun der Reim ein: „Und du hättest hier nie rumgesponnen.“
Um sie herum versammelte sich eine Menschenmenge. Das war ihre Art von Unterhaltung. Nicht alle standen gegen ihn; er begann sich durch seinen Stil zu beweisen, und eine ganze Reihe von Leuten hatten helle Haut wie er. Etwa ein Dutzend oder so. Das war vielleicht auch ein Wortspiel; das ‚Dutzend’ hatte mit der Zahl Zwölf nicht viel zu tun. Es stammte von einem weißen Ausdruck ab, den man für ‚erstaunlich’ oder ‚verblüffend’ gebrauchte. Wenn er diesen Wettbewerb gewann, würde er auch Freunde gewonnen haben, und seine Zukunft wäre abschätzbar, wenn auch nicht absolut sicher. „Gut gemacht“, murmelte einer.
Getroffen schlug Karrie heftig zurück. „Bei deiner Ma kam der Schaum heraus, als sie vögelte die weiße Laus.“
„Patt“, kommentierte ein Zuschauer mit professioneller Schärfe. Er meinte, sie habe Pauls Beleidigung aufgefangen und gegen ihn gewendet, durch einen Reim und einen weiteren rassischen Bezug verstärkt. Diese Angriffe auf sein Weißsein verletzten ihn hier.
Er mußte mit härteren Bandagen kämpfen. Er konnte es sich nicht leisten, Karrie als Kind oder als Frau anzusehen; sie war sein Feind und wollte ihn vernichten. „Das war keine Laus, das war ihr Mann, deine Ma hat zwei Böcke, damit sie überhaupt kann.“
Kurzer Applaus. Paul hatte auf ihren Vers seinen entgegnet und angedeutet, ihre Mutter sei eine Hure. Bei solchen Wettbewerben war die Mutter häufig das Ziel der Beleidigungen, der schwache Punkt in jedem Menschen.
Weitere Kostenlose Bücher