Der Gott von Tarot
Symbol, wieder das weibliche Pendant zum männlichen Feuer. Tarot erstand wortwörtlich!
„Massenhypnose?“ fragte Bruder Paul nachdenklich. „Sehen und fühlen Sie alle diese Gegenstände?“
„Wir alle“, versicherte ihm Pfarrer Siltz.
„Darf ich ein Experiment wagen? Ich gebe zu, ich bin beeindruckt, aber zugleich bin ich ein unverbesserlicher Skeptiker.“
„Bitte“, antwortete Dekan Brown. „Wir schätzen ihre Skepsis. Wir brauchen keinen weiteren ausgesprochenen Kultanhänger.“ Die anderen murmelten zustimmend, wenn Bruder Paul auch den Eindruck hatte, das Gemurmel habe einen traurigen Nachhall. Immerhin waren diese Kultanhänger ihrer Situation gegenüber nicht übersensibel. Wahrscheinlich hatte man sie für den Umgang mit ihm ausgewählt, weil sie in ihren jeweiligen Sekten als am wenigsten fanatisch galten.
„Darf ich dann um ein Tarotspiel bitten …“ Man reichte es ihm. Wenn er auch normalerweise ein genauer Beobachter war, blieb es ihm aufgrund seiner Faszination von den Vorgängen verborgen, wer es ihm überreichte; hinterher konnte sich Bruder Paul nicht mehr erinnern, wessen Spiel er sich geliehen hatte. Er mischte die Karten fachmännisch und lockerte seine Finger. Es hatte eine Zeit gegeben, als … aber diese Zeit vergaß er am besten schnell wieder.
Das war eine der bekannten mittelalterlichen Versionen mit Bauern und geflügelten Wesen und Kindern – keine von den sehr intellektuellen moderneren Versionen. Unter den gegebenen Bedingungen war er froh, diesen Typus vor sich zu haben; ein surrealistisches Spiel hätte eine ohnehin schon unglaubwürdige Erfahrung weiter verkompliziert.
„Ich werde eine Karte auswählen“, sagte Bruder Paul vorsichtig. „Ich werde sie allen außer einem zeigen. Und dann soll sie derjenige bekommen und für uns zum Leben erwecken, ohne die übrigen anzusehen. Darf ich um einen Freiwilligen bitten?“
„Ich werde es tun“, sagte Dekan Brown. „Wir von Lemuria sind immer froh, wenn wir die Realität Ihres …“ Jemand hustete, und er brach ab. „Tut mir leid. Ich wollte niemanden bekehren.“
Der Dekan wandte sich ab. Sein kahler Schädel glänzte in dem schwachen Licht von einem nahe liegenden Fenster. Der Sturm hatte dämmriges Licht über die Landschaft geworfen, doch es wurde allmählich wieder heller. Bruder Paul wählte Schwert-Drei aus. Es war eine hübsche Karte mit einem geraden roten Schwert in der Mitte, umgeben von zwei verzierten Krummschwertern vor einem Hintergrund bunten Laubes. Stumm zeigte er sie den anderen und reichte sie dann dem Dekan weiter.
Innerhalb eines Augenblicks wurde das Bild recht genau wiedergegeben. In der Luft hingen drei Schwerter und einige Blätter. Bruder Paul streckte die Hand aus und berührte einen der Krummsäbel – woraufhin alle drei Klingen unter erstaunlichem Klirren zu Boden fielen.
In dem Raum herrschte Stille. Alle Augen von den anderen Tischen ruhten nun auf ihnen. „Tut mir leid“, sagte Bruder Paul. „Ich fürchte, meine unwissende Berührung ist daran schuld. Erlauben Sie mir, es noch einmal zu probieren.“ Innerlich fragte er sich: Wenn er fähig gewesen war, während der Materieübertragung Antares’ Gegenwart zu akzeptieren, warum hatte er dann solche Mühe, diese einfachen Objekte anzuerkennen? Und er wußte auch die Antwort: weil es hier Zeugen gab. Antares hätte seiner Phantasie entsprungen sein können; diese Phänomene hingegen gingen über seine Vorstellungskraft hinaus.
Bruder Paul sah sich um. Wo waren der Stab, die Kelche, die Schwerter? Er konnte nichts mehr entdecken. Waren sie in dem Tumult dorthin
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