Der Gott von Tarot
Zeit das Baby schuf – das natürlich zu dem Zeitpunkt noch nicht weinte.“
So konnte man es auch sehen. „Ich hätte beim Strom des Unbewußten bleiben sollen“, murmelte Bruder Paul.
„Oh, ja. Das Wasser, von dem Arthwaite sagt, es fließe durch alle Tarotkarten und beginne beim Gewand des Gauklers. Was für ein Unsinn!“
Jetzt ging es schon wieder los! „Ich habe es immer für eine wunderschöne Vorstellung gehalten. Wie kommst du dazu, es als äh … Unsinn zu betrachten?“
„Auf mehr als nur eine Weise, Bruder! Es ist insofern Unsinn, als es sich um überflüssigen Nonsens handelt; neben dem Unbewußten symbolisiert Wasser vieles, und es ist lächerlich anzunehmen, das es nur für eine Sache steht. Aber direkter gesagt, dieser Euphemismus, mit dem er seine Anhänger überschüttet … glaubst du wirklich, es ist ihr Kleid, dem diese Flüssigkeit entspringt?“
„Nun, das ist vielleicht künstlerische Freiheit, aber …“
„Ihr Gewand bedeckt doch nur die richtige, unaussprechliche Quelle, die ihr Körper ist. Eine Frau ist ein Wesen der Flüssigkeiten, wie ich es in meiner Kelch-Sieben versucht habe zu verdeutlichen. Milch aus den Titten und Blut aus dem …“
„Milch und Blut sind sich chemisch gesehen ähnlich“, sagte Bruder Paul rasch. „Übrigens ist Chlorophyll, der Schlüssel zum Stoffwechsel der Pflanzen, auch überraschend ähnlich …“
„Fließt aus ihren Öffnungen, badet das gesamte Tarot in ihren heißen, suppigen …“
„Laß uns das Thema wechseln“, meinte Bruder Paul, der auf eine weitere Fortsetzung nicht neugierig war. Was für eine Gynophobie!
„Komme schon.“
Ein Drache erschien. Bruder Paul wirbelte herum und griff zum Schwert, das er am Gürtel entdeckte. „Das ist der Drache der Versuchung!“ rief er aus. „Er gehört zu einem anderen Kelch. Den habe ich nicht gerufen!“
„Das mußt du aber gewesen sein, Paul“, sagte Therion ohne Beunruhigung. „Denn diese feige Tat stammt nicht von mir.“
Ha! „Ich habe das Schloß herbeigerufen, und das war der einzige Kelch, den ich geleert habe.“
Therion spottete: „Du weißt das; ich weiß das. Aber weiß er das?“
Das war nicht komisch. Doch der große rote Drache der Versuchung raste schon über die Ebene. Keine Zeit mehr zu diskutieren, wer für ihn verantwortlich war. Er mußte ihn aufhalten. „Die Ritter von der Tafelrunde waren immerhin beritten“, murmelte Bruder Paul. „Eine Lanze und ein geharnischtes Pferd.“
„Die Versuchung mußt du allein bekämpfen“, erinnerte ihn Therion. „Das ist schon immer so gewesen.“
So schien es auch. Therion trug keine Rüstung und auch keine Waffe; offensichtlich konnte er dem Drachen nicht gegenübertreten, und er unternahm auch keinen Versuch dazu. Bruder Paul trug noch seine Rüstung aus der Kutsche, wenn auch die Kutsche selbst verloren war. Alles hing also an ihm.
Der Drache hatte einen riesigen gezackten Kopf, aus dem eine orangefarbene Flamme zuckte. Nein, das war nur die gezähnte Zunge. Die beiden Vorderbeine ragten unmittelbar hinter dem Kopf auf, fast wie Ohren, und dem Hals entsprossen zwei kleine Flügel wie Federn oder Haare. Der Rest des Ungeheuers lief wurmähnlich geringelt aus. Nur das Vorderteil vermittelte eine bedrohliche Wirkung; wenn sich dieses Wesen umdrehte, würde es harmlos aussehen. Was natürlich dem Charakter der Versuchung wie auch jeder anderen Bedrohung entsprach.
Der Drache zog sich allerdings nicht zurück. Er trollte direkt auf Bruder Paul zu; der schlangenartige Körper tanzte wie ein Springseil hinter dem schrecklichen Kopf her.
Bruder Paul trat ihm entgegen; das Schwert glänzte wie Excalibur. Doch er fragte sich: Eigentlich hielt er sich für einen
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