Der Gottbettler: Roman (German Edition)
wünsche Ihnen baldige Geburten.«
Wo Menschen und andere Wesen ein einfaches »Hallo« oder »Guten Tag« verwendeten, ergaben sich die Sibyllen vielschichtigen Gesprächsritualen. Nodsumde mochte diese Art der Unterhaltung.
»Was haben Sie mir mitzuteilen?«, fragte er.
»Ich war in letzter Zeit viel unterwegs.«
»Wohin haben Sie ihre Instinkte geführt?«
»Ich suchte nach dem Stummen Jungen.« Die Sibylle wand ihren Körper, als hätte sie keinen Knochen im Leib. »Doch er ist nach wie vor nicht fühlbar.«
»Das sind schlechte Nachrichten.«
»Aber ich habe eine vielversprechende Spur aufgenommen.«
»Und zwar?«
»Die Magicae von Griam haben Boten in die nördliche Welt ausgesandt.«
»Das ist mir nicht neu.«
»Aber wir konnten ihre Motive in Erfahrung bringen. Sie sind auf der Suche, wie wir.«
»Ich verstehe nicht, worauf Sie hinauswollen.«
»Es handelt sich um eine peinliche Angelegenheit. Sie müssen verstehen, dass ich nicht sonderlich gern darüber spreche.«
»Nehmen Sie sich die Zeit, die Sie brauchen.« Die Sibyllen ließen sich gern bitten. Sie benötigten stets eine Weile, bis sie auf den Punkt kamen und sagten, was sie zu sagen hatten. Nodsumde hatte gelernt, geduldig zu sein. So auch diesmal. Er setzte sich auf ein schwelendes Stück Holz, das einstmals Teil des Dachfirstes gewesen war. Er fühlte die Hitze, doch sie konnte ihm nichts anhaben.
»Warum lieben Sie diesen alten Körper so sehr?«, wechselte die Sibylle überraschend das Thema.
Nodsumde blickte an sich hinab. Er trug ein weites, wallendes Gewand. Das Gesicht war von grauen Haaren und einem grauen Bart bedeckt, die Hände zitterten leicht, mit der Rechten stützte er sich auf einen knorrigen Stock. Er hatte nicht lange über seine Erscheinungsform nachgedacht, bevor er hierher aufgebrochen war. »Ich fühle mich darin wohl«, sagte er knapp. »Sie wollten mir etwas über eine Spur erzählen, die Sie aufgenommen haben.«
»Ja. Ich schweife ab. Verzeihen Sie.« Die Sibylle umfasste ihren Körper mit allen sechs Armen und bedeckte die schlaffen Brüste. »Einer der Suchenden, der Lehrling eines Magicus, wurde in der Norde entdeckt. Er trieb Unzucht mit einer Frau, die uns gehört. Er befleckte sie nicht nur, er zeigte auch ungewöhnliche und abstoßende Fähigkeiten, die uns bislang unbekannt waren.«
»Ich verstehe.« Nodsumde übte sich weiterhin in Geduld.
»Er befand sich unseren Informationen nach auf der Suche nach einem Mann mit goldenen Augen.«
Nodsumde zuckte zusammen. »Ich dachte, es gäbe diesen Mann nicht mehr. Man sagte mir, er hätte sein Ende gefunden.«
»Wie es aussieht, handelte es sich bei den Nachrichten um sein Ableben nur um Gerüchte. Denn die beiden, Gesuchter und Suchender, haben sich gefunden. Sie trieben aufeinander zu, als würde das Schicksal sie leiten.«
»Wir wissen beide nur zu gut, dass es derartige Anziehungskräfte gibt. Sie sind widerlich und zerstören alle Ordnung.« Nodsumde dachte über die Folgen nach, die diese Neuigkeit mit sich brachte. Er musste neue Pläne schmieden und womöglich sogar seine bisherigen Vorhaben vergessen.
»Der Mann mit den goldenen Augen und Pirmen, der Lehrling des Magicus, befinden sich mittlerweile auf dem Weg Richtung Griam.«
»Wie stark sind die Kräfte des Lehrlings?«
»Vernachlässigbar. Abgesehen von seiner besonderen Fähigkeit scheint er nicht allzu viel Kenntnisse zu haben.«
»Wir dürfen unsere Gegner keinesfalls unterschätzen. Denken Sie daran, dass wir bereits zwei Mal gescheitert sind.«
»Sie gehen zu streng mit sich selbst ins Gericht, Nodsumde. Ich würde es nicht als Scheitern bezeichnen, sondern als zweimaliges Anlaufnehmen, das nicht zum gewünschten Erfolg führte. Doch wir werden weitermachen. So lange, bis Ihr und unser Ziel erreicht ist.«
»Sie haben natürlich recht.« Nodsumde deutete eine Verneigung an. »Doch zurück zu unserem Problem. Wir müssen davon ausgehen, dass der Mann mit den Goldenen Augen nach Griam geführt wird, was wiederum bedeutet, dass sich der Stumme Junge dort befindet, geschützt von einem Kreis der Magicae.«
»Was erklären würde, warum wir den Jungen bislang nicht ausfindig machen konnten. Wir haben zwar mit einem derartigen Fall gerechnet, jedoch waren wir bislang davon überzeugt, dass es sich um Hexen handelt, die ihn schützen.«
»Die Rivalität zwischen Magicae und Hexen hilft uns zwar auf der einen Seite, andererseits bringt sie Probleme mit sich. Ich frage mich, ob die
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