Der Gottbettler: Roman (German Edition)
entscheidende Rolle ihm im Kampf gegen den Gottbettler und seine Vasallen zukam? Würde er sich gegen Metcairn Nife stellen, seinen ehemaligen Freund?
Ja. Wenn ich ihn in meine Finger bekäme, würde er tun, was ich von ihm verlange. Doch bleibt er unter der Fuchtel des Krüppels, wird die Geschichte anders ausgehen. Pirmen ist so sehr auf seine eigenen Probleme und seinen Hass auf mich fixiert, dass Fehler wahrscheinlich sind. Außerdem mag er jederzeit den Kopf verlieren.
Doch auch Tercas Geist hatte nicht die Freiheit, die notwendig war, um Rudynar Pole und damit dem Stummen Jungen den notwendigen Halt zu gewähren. Die vielen Jahre in der Wand, das Warten auf den Impuls, endlich ihr Leben zu beenden, hatten sie geschwächt und gezeichnet. Sie wusste nicht, ob sie die notwendige Kraft aufbringen würde, um ihren versoffenen Begleiter zu schützen.
»Wir müssen reden«, sagte sie zu Pirmen.
»Ich wüsste nicht, worüber. Bleib gefälligst weg von mir!« Der Magicus wedelte mit seinem nur noch eine Handbreit langen Armstummel in ihre Richtung.
»Wenn du deinen Auftrag zu Ende bringen möchtest, werden wir zusammenarbeiten müssen.«
»Ich lege keinen Wert auf Zusammenarbeit! Es hindert dich zudem niemand daran, deines Wegs zu ziehen. Rudynar Pole und ich brauchen dich nicht. Verschwinde!«
»Du weißt so gut wie ich, dass das nicht möglich ist. Er und ich – wir sind aneinander gebunden.«
»Du hast versucht, ihn mir zu stehlen!« Pirmen ließ Rudynar Pole anhalten, so wie man einen Gaul zum Halten brachte. »Du hast ihn mithilfe deiner Kräfte becirct und wolltest ihn dir gefügig machen …«
»Was dir schon gelungen ist.«
»Ich tue es für einen höheren Zweck. Aber du? Du willst bloß mehr Macht, so wie alle Wicca!«
Terca schüttelte den Kopf. »Du hast keine Ahnung, wie falsch du liegst, Magicus. Nichts liegt mir ferner als das.«
»So? Und wofür wolltest du Rudynar Pole dann missbrauchen?«
Die Wahrheit war ein seltsames Ding. Sie ließ sich formen und drehen und wenden, bis sie völlig entstellt war. Doch Terca hatte keine Lust mehr, hochtrabende und dennoch bedeutungsleere Worte zu finden für etwas, das so einfach zu erklären war. Sie war es müde, andere zu täuschen. Erst recht sich selbst.
»Ich brauche ihn, weil ich sonst vergehe. Ich verliere allmählich meinen Daseinszweck.«
»Du bist alt, nicht wahr?«, fragte Pirmen, plötzlich nachdenklich geworden. »Mein Meister erzählte mir, dass ihr viel zu lange durch den Weltenkreis wandert und irgendwann einmal den Lebenssinn verliert.«
»Ich bin sehr alt«, gab Terca zu.
»Wie lautet dein richtiger Name?«
»Ich hatte mehrere, und alle waren sie richtig. Einmal, vor gar nicht allzu langer Zeit, hieß ich Dharma.«
Pirmen zuckte zusammen. Das kleine Bündel Leben auf Rudynar Poles Schultern wirkte auf einmal noch winziger, noch unbedeutender. »Du meinst die Dharma?«
»Ja.«
»Das ist unmöglich!«, rief der Magicus. »Dharma ist gestorben. So erzählte man mir.«
»Es wird viel erzählt und viel gelogen. Weil die Leute die Lüge leichter ertragen als die Wahrheit.«
»Und Gafelay? Weiß er davon, dass du noch lebst?«
»Ja. Aber wir sind übereingekommen, meine Existenz geheim zu halten. Eigentlich war das sogar seine Idee.«
Hatte sie Pirmens Weltbild damit ein klein wenig erschüttert? Glaubte er ihr, dass sie die legendenumwobene Frau des mächtigsten noch lebenden Magicus namens Gafelay gewesen war? Oder war er so ignorant wie fast alle seiner Zunft, sodass für ihn nicht war, was nicht sein durfte?
»Wie ist Gafelay?«, fragte der Kleine neugierig, während Rudynar Pole blöde in die Gegend stierte. Er stand unter ihrer beider Einfluss, sein Geist ruhte.
»Du meintest, wie war er?«
»Ich verstehe nicht …«
Terca seufzte. »Zwischen uns bestand ein Band, wie es nicht hätte existieren dürfen. Es war ähnlich gestrickt wie jenes zwischen dem da«, sie deutete auf Rudynar Pole, »und der Sibylle. Wir vertraten zwei gänzlich unterschiedliche Weltanschauungen. Mann und Frau. Hexe und Magicus. Sanftheit und Rohheit. Kurzfristiges Denken und langfristiges Planen. Und dennoch fanden wir zusammen.« Warum vertraute sie sich Pirmen an, ausgerechnet ihm? Warum sprach sie über Dinge, die sie stets für sich behalten hatte? »Gemeinsam empfanden wir sogar so etwas, das man als Glück oder Liebe bezeichnen könnte, zumindest für eine Weile. Doch dann …« Sie zögerte.
»Ja?«
»Dann spielte uns die Zeit einen
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