Der Gottbettler: Roman (German Edition)
ein, hungrige und durstige Seefahrer, die augenblicklich den Lärmpegel im Schankraum bestimmten. Sie hatten wohl ein gutes Geschäft gemacht, und wenn man ihren Worten glauben durfte, verdienten sie ihr Geld mit Kaperungen, Schutzgeld-Erpressungen und rücksichtslosen Überfällen auf kleinere Ortschaften entlang des nordwestlichen Ufers der Cabrischen See.
Andere zweifelhafte Gestalten gesellten sich zu ihnen. Sie rochen, dass hier spendable und nicht mehr ganz nüchterne Gesellen darauf aus waren, einen Teil ihrer Beute loszuwerden. Bald schon wurden Freirunden ausgerufen, und als es draußen zu dunkeln begann, herrschte eine ausgelassene, fast hysterische Stimmung im namenlosen Wirtshaus.
Terca war es nur recht. Sie liebte es, in der Anonymität zu verschwinden. In den Schatten lebte es sich ausgezeichnet, vor allem als Hexe. Den einzigen Seemann, der so betrunken war, dass er ihre Altersrunzeln glattweg übersah, ließ sie großzügig ihre schlaffen Brüste betatschen. Daraufhin wurde er rasch wieder nüchtern und suchte das Weite.
Sie genoss die Atmosphäre, sog die Stimmung in sich auf, horchte in alle Richtungen und merkte sich, was erzählt wurde. Hier erfuhr sie weitaus mehr, als hätte sie sich an irgendwelche Stadtoffizielle gewandt. In Wirtshäusern wurde die nackte Wahrheit ausgesprochen, meist mit einer derartigen Unverblümtheit, dass es schmerzte.
Zwei Seeleute unterhielten sich über eine Vergewaltigung, an der sie sich beteiligt hatten. Ein zwielichtiger Händler erzählte einem zwielichtigen Kunden, dass er neben Blumenzwiebeln auch zwölfjährige Kinder vermittelte, und fügte grinsend hinzu: »Auch das sind Zwiebeln, die noch austreiben und geöffnet werden müssen, wenn du verstehst, was ich meine.« Schmuggler tauschten sich über Schiffs- und Festlandrouten aus, die angesichts des immer größer werdenden Drucks durch die Truppen des Gottbettlers noch sicher waren; eine verhärmte Frau eröffnete ihrem Schwager, was für ein Schwein ihr Mann doch sei, und Terca hätte ein Vermögen darauf gesetzt, dass sie sich noch heute, nach dem dritten oder vierten Becher vom Sauren, dem lüstern auf ihre Brüste starrenden Kerl hingeben würde. Zwei »Sängerinnen« quietschten auf, als ihre Hintern betätschelt wurden. Eine genoss ihre Macht über die Männer, die andere wirkte verängstigt; sie wurde gewiss zu dieser Arbeit gezwungen. Zwei Männer unterhielten sich über dubiose Gestalten, die vorgestern den Weg nach Griam gefunden hätten und seitdem als spurlos verschwunden galten …
Terca horchte auf. Sie wandte sich den beiden Flüsterern zu. Es waren ausgerechnet die Malekuften.
Sie winkte den Schankburschen herbei, drückte ihm einen Goldenen Mau in die Hand und orderte einen vollen Krug Panschwasser, ein Sauermilch-Getränk mit leichtem Limonen-Geschmack, das kaum jemandem außer den Pferdegesichtigen mundete. Der junge Mann beeilte sich, das Verlangte zu bringen. Sie deutete ihm, Krug samt der Becher am Tisch der Malekuften abzuladen, und drehte sich ihnen zu. »Wohl bekomm’s«, sagte sie. »Ich freue mich, Vertreter eures Volkes auch abseits der üblichen Wege anzutreffen.«
Man begegnete ihr mit Schweigen und Misstrauen. Einer der Männer – Terca hatte niemals in ihrem Leben eine weibliche Malekufte zu Gesicht bekommen – mahnte seine Begleiter mit Gesten zur Vorsicht, ohne zu ahnen, dass sie die Zeichensprache der seltsamen Wesen aus dem Süden des Weltenkreises ausreichend gut beherrschte.
»Ich bin eine Hexe«, sagte sie mit entwaffnender Offenheit und im Dialekt der Steilstädte, »und ich wäre froh, in einer Stadt wie Griam Freunde zu haben.«
»Eine Hexe«, wiederholte einer der Malekuften anerkennend. »Hätte nicht gedacht, dass eine wie du hier willkommen ist.« Er prostete ihr zu und trank vom Panschwasser.
»Geht mir bei euch Malekuften ebenso. Mir ist sehr wohl bekannt, wie die Magicae zu euch stehen.«
»Sie hassen uns. Weil wir sie durchschauen. Weil wir ihr Verhalten missbilligen.«
»Und dennoch seid ihr hier, fernab der Heimat?«
»Es gibt gewisse Zwänge, denen wir unterliegen«, wich der Mann einer direkten Antwort aus.
Seine Nüstern waren geweitet, die Atmung kam ruhig, und sein Misstrauen schwand rasch. Malekuften galten nicht unbedingt als die hellsten Wesen des Südens, und das aus gutem Grund. Terca wusste nur zu gut Bescheid über die Herkunft dieser Geschöpfe, die mit wenig Verstand, aber großen Körperkräften gesegnet waren. Genau diese
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