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Der Gottbettler: Roman (German Edition)

Der Gottbettler: Roman (German Edition)

Titel: Der Gottbettler: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marcus Thurner
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leben. Die Kriege in den anderen Teilen des Weltenkreises berühren sie nicht und bekümmern sie ebenso wenig.«
    Pirmen kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen und versuchte Einzelheiten in der Stadt auszumachen. Er sah Türme der Magier, aber auch solche, die Händlern zuzuordnen waren. Kuppelbauten glänzten golden in der Sonne, ein breiter Fluss durchlief die Stadt Gallwar, in deren Zentrum er sich teilte, sodass er eine Insel schuf, die sich auf seltsame Weise von dem Rest der Stadt abhob. Pirmen wusste noch nicht zu sagen, was dort anders war, doch er meinte zu spüren, dass sich dort die Residenz des Gottbettlers befand.
    »Das ist wirklich beeindruckend«, schloss sich Terca widerwillig seiner Meinung an. »Die Stadtmauern reichen weit ins Land hinaus, dreifach hintereinander gestaffelt, und sie wirken wie Blütenblätter, die die Stadt umkränzen.«
    »Die Blume von Oriath … Das Land trägt seinen Beinamen auch wegen der Stadt.« Er sah sie erstaunt an. »Warst du denn jemals hier?«
    »Ich kann mich nicht erinnern«, antwortete die Hexe zurückhaltend. »Manche Dinge habe ich im Laufe der Jahre vergessen.«
    »Es wäre gut, würden dir ein paar davon bald wieder einfallen. Selbst eine winzige Kleinigkeit könnte uns jetzt helfen.«
    Andere Gruppen überholten sie, und auch diese zeigten sich beeindruckt von dem Ausblick, der sich hier bot. Händler, die diese Reise gewiss schon Dutzende Male angetreten hatten, seufzten und schüttelten sehnsüchtig die Köpfe. Ein Meldereiter, der sich der Stadt näherte, hielt kurz inne, ließ sein Pferd auf die Hinterhand steigen und stieß einen Seufzer aus, der wohl Erleichterung ausdrückte. Zwei Kinder auf einem Planwagen, der mit frisch gefertigten Möbelstücken beladen war, klatschten entzückt in die Hände und warfen sich dann nacheinander ihrem Vater um den Hals. Der Mann lachte vor Glück …
    »Die Stadt des Gottbettlers. Die Wurzel allen Übels, sagt man.« Terca schüttelte den Kopf. Auch sie schien sich ihrer Sache nicht mehr sicher.
    »Wir irren uns«, sagte Pirmen. »Wir tun das Falsche. Wer so viel Schönheit rings um sich errichtet, ist ein Freund der Menschen und aller anderen Wesen.«
    »Er gaukelt uns bloß etwas vor.«
    »Du meinst, dass die zigtausend Einwohner Gallwars nur Staffage sind?«
    »Wir wissen zu wenig über den Gottbettler. Bloß eines scheint festzustehen: Er ist unberechenbar. Es ist ihm bislang gelungen, jeden Gegner zu überraschen und auszuhebeln. Ich traue ihm alles zu. Er ist verrückt und zugleich ein Genie.«
    »Brauchen wir deshalb den Stummen Jungen? Weil er so ähnlich denkt wie unser Feind?«
    »Vielleicht. Aber ich denke, dass da noch mehr dran ist an unserem jungen Begleiter.« Terca musterte den Stummen Jungen. Sein Blick war klar, doch er murmelte irgendetwas Unverständliches ganz, ganz leise vor sich hin. Er nahm die Stadt wahr, und womöglich sah er wesentlich mehr als sie beide.
    »Ich kann den Gottbettler nun auch fühlen«, sagte Pirmen. »Er wartet auf uns. Er lauert auf seine Chance.«
    »Ich weiß.«
    »Dennoch reiten wir weiter?«
    »Du hast die Möglichkeit umzukehren verwirkt, als du Larex’ Auftrag angenommen hast, in die Norde zu reiten und nach Rudynar Pole zu suchen. Von da an war der Weg hierher vorgezeichnet. Im Rückblick zeigt er sich klar und deutlich, ein Ereignis bedingte das andere.«
    »Sofern man an Prophezeiungen glaubt.«
    »Diese eine hat ganz gewiss ihre Richtigkeit.«
    »Warum bist du dir da so sicher?«
    »Ich habe nachgedacht. Lange.« Terca leckte sich über die Lippen und starrte sinnend auf die Stadt hinab. »Ich sagte ja, dass ich mich nicht mehr an alles erinnern kann, was ich im Laufe meines Lebens getan habe. Doch mittlerweile bin ich mir sicher, dass ich diese Prophezeiung selbst einmal ausgesprochen habe. Sollte ich etwa an meinen eigenen Worten zweifeln?«

19. Der letzte Ritt des Heerführers
    Metcairn Nife trank zu viel in letzter Zeit. Er war unruhig geworden, fiel ohne Grund über seine Adjutanten her und beleidigte sie, fällte ungerechte Urteile, spielte seine Leute gegeneinander aus und fand noch hundert und mehr Möglichkeiten, für Unruhe im Heer zu sorgen.
    Es scherte ihn nicht sonderlich. Nicht, nachdem Marmer Dunne durch das Schwert des ehemaligen Linken gefallen war. Womöglich konnte er den Sibyllen Selbstsicherheit vortäuschen und auch einen Teil seiner Soldaten täuschen. Doch sich selbst konnte er nicht belügen. Dieser gewaltige Heereswurm war

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