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Der Gottbettler: Roman (German Edition)

Der Gottbettler: Roman (German Edition)

Titel: Der Gottbettler: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marcus Thurner
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es missriet ihr. »Man erzählt sich Geschichten über die treibenden Inseln. Doch ich hielt sie stets für Lügen oder Märchen oder beides.«
    »Manches ist wahr, manches nicht.« Pirmen drehte sich um und ging auf die Offenställe zu.
    »Was treibt dich hierher, ans Ende der Welt, Magicus aus dem Oceanicum Griam?« Sie glitt an seine Seite und stapfte neben ihm durch den Tiefschnee.
    »Ich bin auf der Suche.« Da war der Sattel. Er befreite ihn vom Eis und beutelte die Unterdecke mehrmals aus. Splitter lösten sich aus dem steifen Material und versanken im Neuschnee.
    »Du bist nicht sehr gesprächig, scheint mir.«
    »Und du bist eine Nervensäge!« Er drehte sich ihr zu, packte sie an den Schultern, schüttelte sie. »Hör mir gut zu, Eilidh: Du vergisst so rasch wie möglich, mich gesehen und mich kennengelernt zu haben. Du wirst niemals mehr wieder an diese Nacht denken. An das, was du erlebt hast. Andernfalls wirst du unter den Erinnerungen leiden. Sie werden dich auffressen. Sie werden eine Sehnsucht in dir erzeugen, die niemand stillen kann. Niemand, hörst du?«
    »Ach, hör doch auf!« Sie entwand sich seinem Griff und trat einen Schritt zurück. »Glaubst du etwa, dass du der Erste warst, der meine Glocken zum Läuten gebracht hat? Du überschätzt dich maßlos.« Sie trat erneut näher und setzte ein verführerisches Lächeln auf. »Aber es war schön, und man sollte die wenigen schönen Momente des Lebens genießen …«
    »Geh auf dein Zimmer, sieh in den Spiegel und erinnere dich, was ich dir angetan habe. Welche Schmerzen du erleiden musstest. Welchen Preis du für einige wenige Minuten der Lust bezahlen musstest.«
    »Ich wurde schon weitaus schlimmer behandelt.«
    Pirmen schlug ihr ins Gesicht. Nicht so wie letzte Nacht, geleitet von der Ekstase körperlicher Vereinigung. Dieser Hieb war kalt und gefühllos. Er sollte Eilidh seine ganze Verachtung zeigen. »Du bist eine hässliche, billige Nutte, wie sie in jedem lausigen Dorf dieses vom Eis überdeckten und verfluchten Landstrichs zu finden ist. Du bist nichts wert. Ich habe dich benutzt wie einen Pisstopf. Mehr bist du nicht. Hast du mich verstanden? Ein stinkender Pisstopf!«
    Eilidhs Augen wurden größer und größer. Tränen der Wut und der Verzweiflung rannen ihr über die Wangen und verfestigten auf halbem Wege zu salzverkrusteten Frostspuren. »Ich hasse dich!«, sagte sie mit erstickter Stimme. »Du sollst erfrieren dort draußen, und die Wölfe sollen deinen Leib fressen, während du noch bei Bewusstsein bist.«
    Sie verlor sich in weiteren gemurmelten Beleidigungen und Verwünschungen, die kaum noch einen Sinn ergaben. Pirmen hörte nicht weiter hin. Er musste sehen, dass er weiterkam. Er sattelte Stellex, durchbrach die Eisschicht der Tränke und ließ die Stute ein letztes Mal saufen, bevor er seine Habseligkeiten verstaute und sich auf den Rücken des Tiers schwang.
    Er beugte sich hinab und öffnete das Gatter des Offenstalls. Die Berührung am Eisenwerk schmerzte. Hastig zog er die gefütterten Handschuhe über und schnalzte mit der Zunge. Sein treues Reittier trottete los.
    »Warte!« Eilidh sprang ihm in den Weg, unmittelbar vor den Gaul, der erschrocken auf die Hinterläufe stieg.
    Pirmen zog an den Zügeln, ließ das Tier einige Male im Kreis tänzeln, bis es sich wieder beruhigt hatte, und brachte es zum Stehen. »Bist du wahnsinnig geworden?«, fuhr er Eilidh an.
    »Bitte. Bleib. Hier.« Sie sank zu Boden. Beugte den Körper weit nach vorn, sodass ihre Stirn den Schnee berührte. »Eine Nacht. Eine einzige Nacht. Eine Stunde. Bloß ein paar Minuten …«
    Pirmen lenkte sein Pferd in weitem Kreis um die Dirne herum. Er tat so, als achtete er nicht mehr auf sie. Als würde er ihr Flehen und Betteln nicht hören. Als erreichte sie nicht sein Herz. Er ließ das Reittier trotz des rutschigen Untergrunds antraben, damit es ihn so rasch wie möglich vom Störrischen Ochsen und den anderen gemauerten Häusern der kleinen Ansiedlung namens Byela wegbrachte.
    »Warum schreist du nach einer Hexe?«, rief sie ihm nach. »Was willst du von diesen verdammten Weibern? Was haben sie, das ich dir nicht bieten kann?«
    Pirmen antwortete nicht und drehte sich auch nicht mehr um. Das Herz tat ihm weh. Es schmerzte ihn, dass Eilidh den Weg all jener Frauen einschlug, die sich mit einem Magicus wie ihm einließen.
    Vielleicht vergaß sie seine Berührungen. Sie hatte eine kleine Chance, hier, in dieser von allen Göttern verlassenen Einsamkeit.

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