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Der Gottbettler: Roman (German Edition)

Der Gottbettler: Roman (German Edition)

Titel: Der Gottbettler: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marcus Thurner
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lamentierte Caramae. »Ich war der Sünde der Trägheit verfallen und hurte herum, statt aufzupassen.«
    »Ich frage mich, welch armes Geschöpf mit einem wie dir herumhuren wollte.«
    »Halt dein Mundwerk im Zaum«, brüllte der Schmied, »sonst steig ich hoch und stoß dich eigenhändig in die Tiefe! Du Miststück! Du bist es nicht wert, meine Scheiße zu küssen oder auch nur meinen Namen auszusprechen! Du Krankheitsschleuder, du … du …«
    Es war wieder mal so weit. Terca hörte nicht länger hin. Sie verschloss die Ohren, streckte ihre Beine aus und blickte auf die Cabrische See hinaus, auf diese unendlich friedliche Fläche voll Schwarz und Blau und Weiß, die nur hier, an jenen Steilrändern, die das Meer wie ein Juwel einfassten, jene rohen Gewalten andeutete, von denen es beherrscht wurde.
    Es war ein schöner Morgen. Die Sonne fand immer wieder Schlupflöcher zwischen den kleinen Horden Schäfchenwolken und ließ Terca ihre steigende Kraft spüren.
    Sie nahm einen Schluck Wasser, gurgelte und spuckte aus. Mit ein wenig Glück und dem richtigen Wind würde das Nass auf Caramae hinabplatschen und seinen Zorn noch weiter anstacheln.
    Doch nichts geschah. Der Schmied beruhigte sich allmählich. Er würde in düsterem Brüten versinken und nach einigen Stunden erneut das Gespräch mit ihr suchen, als hätte er nicht die wüstesten Beschimpfungen in ihre Richtung ausgestoßen.
    Unter ihr gurgelte die See, stieß gegen die »Finger«, gegen die wie im Zorn hochgereckten Felsen , sechs an der Zahl, die den Gliedern eines Riesen ähnelten, der sich unter der Wasseroberfläche verbarg. Möwen hielten die steinernen Mahnmale besetzt. Sie bewegten sich unruhig, angesichts der Wut der Wellen, die immer wieder gegen ihre Beobachtungsposten brandeten. Manchmal, wenn das Wasser gar zu hoch spritzte und sie in die Tiefe zu ziehen drohte, flatterten sie hoch, um sich wieder am selben Platz niederzulassen, sobald sich die See beruhigt hatte.
    Am Horizont glänzte und glitzerte es mit einem Mal, als würde das Licht der Sonne von metallenen Flächen reflektiert. Terca versuchte, die Erinnerung an die Oceanica heraufzubeschwören, an die fünf schwimmenden Städte, die die Cabrische See dank ihrer Flotten und ihrer Söldnertruppen beherrschten. Es war noch gar nicht so lange her, dass Paxe, die Dritte Stadt, an die Küsten der Steilstädte getrieben war und den Seehandel für geraume Zeit vollends zum Erliegen gebracht hatte. Was hatte die Stadt doch für einen atemberaubenden Anblick geboten! All die glänzenden Türmchen, Aufbauten, zinnenbewehrten Mauern, Palisaden, Seil- und Windkonstruktionen! Die fünf Oceanica sprachen allem Hohn, das über die Natur der Dinge bekannt war. Diese Riesenbauten konnten nicht an der Oberfläche des Wassers treiben – und taten es doch. Alle – bis auf eine. Alle – bis auf die Vierte Stadt …
    War es denn schon wieder so weit? Näherte sich ihnen ein weiteres Oceanicum, um die Bewohner der hiesigen Küstenabschnitte in Angst und Schrecken zu versetzen?
    Terca kniff die Augen zusammen und suchte nach weiteren Lichtreflexionen. Doch da war nichts. Bloß einige meterhohe Wellenkämme, die übereinanderstürzten und für ein klein wenig mehr Weiß in der dunklen Cabrischen See sorgten.
    Oder beobachtete sie eben das Spiel einer Schule von Schwimmkröten, die, getrieben von ihren Müttern, das Tauchen und Jagen lernten? Diese monströsen Geschöpfe galten als die heimlichen Herrscher des Meeres. Nicht, weil sie die kräftigsten Geschöpfe waren, und erst recht nicht, weil sie fieser als die anderen waren. Aber sie waren hochintelligent. Es war ein Wunder, dass Menschen und andere Wesen dieses Weltenkreises einige von ihnen hatten fangen und zähmen können …
    Terca wandte ihren Blick ab, zog sich an die Wand zurück und nahm das Frühstücksbrot aus ihrem Ranzen.
    »Heute ist es so weit«, sagte sie sich. »Ganz gewiss.«
    »Du traust dich ja doch nicht zu springen, alte Furztrommel!«, tönte Caramae. »Du bist nicht dazu in der Lage. Du beschmutzt die Magie der Wand mit deiner bloßen Anwesenheit.«
    »Halt endlich dein Maul!« Terca hatte diesen Stänkerer gründlich satt. Seine Beleidigungen, seine Provokationen, das sinnlose Geschwätz.
    Er wusste ganz genau, dass die Entscheidung zu springen nicht im Ermessen derjenigen stand, die hier auf den Tod hofften. Jene Magie, die vor Äonen diesen Küstenstreifen geformt hatte, war nach wie vor in Resten spürbar, und sie sorgte

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