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Der Gottbettler: Roman (German Edition)

Der Gottbettler: Roman (German Edition)

Titel: Der Gottbettler: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marcus Thurner
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Untergrund.
    »Wir sollten Abstand zu den Wegen halten«, sagte Pirmen.
    »Ich weiß, was ich tue.«
    »Die Truppen des Gottbettlers …«
    »Ich weiß, was ich tue.«
    Herr Rudynar Pole entpuppte sich als wortkarger, düsterer Mensch. Am nächtlichen Lagerfeuer brütete er meist vor sich hin und stierte in die Flammen, die Decken eng um die Schultern gezogen. Ab und zu verlangte er, dass Pirmen ihm einen oder mehrere Krüge Habanea braute. Nachdem er dem Hohen Herrn den Wunsch erfüllt hatte, versteckte sich Pirmen im Geäst irgendeines Baums, während sich sein Reisepartner dem Suff hingab. Dann tobte der ehemalige Söldner, schlug tiefe Kerben ins Wurzelholz, tanzte, fluchte, lachte wie ein Irrer, brachte sich mit einem Messer Narben an den Unterarmen bei und onanierte gelegentlich ins Feuer, um später erschöpft zu Boden zu sinken und im Morast einzuschlafen, oft mit dem Gesicht nach unten. Pirmen verbrachte diese Nächte in Angst und Schrecken. Herr Rudynar Pole war meist so besoffen, dass es fraglich erschien, ob er am nächsten Morgen wieder aufwachen würde.
    Doch es gab auch Gelegenheiten, da er sich Pirmens Gegenwart bewusst wurde, sich ihm näherte und unverständliche Wörter schrie, die scheinbar einer fremdartigen Sprache entstammten. Schaum stand ihm dann vor dem Mund, und der Wahnsinn in diesem ganz besonderen Blick, den Pirmen bereits an ihm wahrgenommen hatte, verstärkte sich in diesen Momenten ins Unermessliche.
    Ist diese Verrücktheit etwa das, was ihn ausmacht?, fragte sich Pirmen bange. Muss er durchgedreht sein, um den Stummen Jungen so behandeln zu können, wie er es benötigt?
    Es war ein erschreckender Gedanke, und der junge Magicus schob ihn rasch wieder beiseite. Er wusste kaum etwas über den Stummen Jungen. Nur die wenigen Dinge, die gerüchtehalber im Haus Larex kursierten. Dass er der entscheidende Faktor im Kampf gegen den Gottbettler war. Dass er in einem der Magischen Türme Griams festgehalten und von den dort Lebenden isoliert wurde. Dass sein Verhalten schier unerträglich sei und dass er besonderer Pflege bedurfte.
    Trotz dieser bloß spärlichen Informationen hatte sich Pirmen ohne Fragen zu stellen auf den Weg gemacht, um nach dem Auserwählten zu suchen. Das Wort von Larex war ihm Garantie genug gewesen, dass er das Richtige tat – und weil die Ikonen seines Traumlands ihm gesagt hatten, dass seine Bestimmung in dieser Suche lag.
    »Söldner.«
    »Hm?« Pirmen schrak aus seinen Gedanken hoch.
    »Ein kleiner Trupp mit Leuten des Gottbettlers kommt uns entgegen«, sagte Herr Rudynar Pole. »Mit einigen Schweinen im Schlepptau.«
    »Wo?« Pirmen blickte geradeaus. Er sah den Weg, der sich hügelabwärts wand und zwischen gewaltigen Felsbrocken verschwand. Dunst und Nebel, ewige Begleiter in diesem Teil der Norde, hielten die Sicht auf etwa hundert Schritt begrenzt. »Und was haben die Soldaten mit den Schweinen vor?«
    »Du hast keine Vorstellung von dem Aufwand, den man betreiben muss, um ein Heer von mehreren tausend Männern satt und zufrieden zu halten, nicht wahr?« Herr Rudynar Pole schüttelte den Kopf, das zerzauste und grau gewordene Haar flog ihm über die Schultern. »Drei Leute von zehn kämpfen, so lautet die Regel. Sieben von zehn sind dazu da, um die Truppen beisammen zu halten. Die Kämpfenden müssen gefüttert und mit Waffen versorgt werden. Schmiede befinden sich ebenso im Tross wie Schuster, Schneider, Tischler und andere Handwerker. Köche, Feldscher, Bader, Barbiere und Ärzte. Vertrauenswürdige Zahlmeister, die meist in einem Atemzug mit den Henkern genannt werden. Leute, die die Kriegsgeräte instand halten, und solche, die Straßen begehbar machen. Leichenfledderer, die sich ganz hinten halten und von dem leben, was ihnen die Soldaten beim Einsammeln der Habseligkeiten der Toten übrig lassen. Huren, Ehefrauen, Kinder.« Der Hohe Herr schüttelte erneut den Kopf, als könnte er sich nur mühsam aus dunklen Erinnerungen befreien. »Es ist, als würde man eine ganze Stadt auf Reisen schicken.«
    »Und diese Männer mit den Schweinen …«
    »Nein, die Tiere werden nicht zum Ficken ins Lager gebracht.« Herr Rudynar Pole grinste. »Zumindest denke ich, dass es nicht so ist. Die Tiere werden geschlachtet. Das Fleisch gegessen, die Häute gegerbt, die Borsten für Pferdebürsten in Alaun eingelegt und dann gebleicht, die Sehnen und Knorpel zu einem Seifensud verkocht. Ein guter Heerführer achtet darauf, dass nichts von der Beute verschwendet

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