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Der Gottbettler: Roman (German Edition)

Der Gottbettler: Roman (German Edition)

Titel: Der Gottbettler: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marcus Thurner
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Die Bauern, Händler, Künstler, Boten und Transporteure hatten es eilig, in die Stadt zu gelangen. Die Sonne würde bald untergehen. Wer es bis zum Einsetzen der Dunkelheit nicht bis zu den Wächtern an der Palisade geschafft hatte, musste die Nacht im Freien verbringen, in klammer Kälte und den herumlungernden Strauchdieben ausgeliefert.
    Wenige Meter vor Pirmen wurde heftig gestritten. Zwei Frauen gerieten sich sprichwörtlich in die Haare. Zudem traten und kratzten sie sich und fluchten dabei wie die Bierkutscher. Worum es ging, war aus dem Gekeife nicht herauszuhören, und es war auch einerlei. Die Soldaten des Gottbettlers sortierten die Streithennen aus und brachten sie zu einem Zelt, vor dem ein dicker Mann saß, vielleicht dreißig Jahre alt.
    Pirmen kümmerte sich nicht weiter um die hiesige Rechtsprechung. Das Grinsen zweier Bewaffneter sagte ihm, dass es dabei weniger um Gerechtigkeit ging, als vielmehr um willkürliche Strafe, die der Unterhaltung der Truppen diente.
    Wo blieb der Hohe Herr? Die Warteschlange vor ihm wurde immer kürzer, der Haufen Soldaten rückte näher. Sollte er aus der Reihe treten und warten, oder würde er sich dadurch verdächtig machen? Was konnte, was sollte er den Männern des Gottbettlers sagen? Man würde bei seinem ersten Wort erkennen, dass er kein Söldner war und dass er nicht den geringsten Dunst davon hatte, was rings um ihn vorging.
    »Komm, kleiner Herr!«
    Pirmen wurde am Arm gepackt und aus der Warteschlange gezogen. Er atmete erleichtert auf. Rudynar Pole war rechtzeitig zurückgekehrt und nahm ihn mit sich.
    »Das ist unser Mann«, flüsterte ihm der Hohe Herr zu und nickte in Richtung einer mausgesichtigen Gestalt. »Er wird uns entlang des Palisadenzauns rings um Colean geleiten, vorbei an den Lagern der Soldaten.«
    »Du vertraust ihm?«
    »So sehr wie mir selbst.« Rudynar Pole kicherte. »Natürlich wird Gibling versuchen, uns übers Ohr zu hauen. Es hängt alles von dir ab. Führst du noch ausreichend Kräuter bei dir, um einen Topf Habanea zu brauen? Du weißt schon, das ganz besondere Zeugs, mit dem du mich flachgelegt hast.«
    »Ich sehe zu, was sich machen lässt …«
    »Du bist ein Abszess an meinem Arsch, kleiner Herr! Würdest du ein einziges Mal mit Ja oder Nein antworten? Mich nervt dieses stetige Herumgeeiere!«
    Da war er wieder, der Blick des Wahnsinns und des Zorns! Er zeigte sich bloß für die Dauer eines Blinzelns, aber er war so erschreckend intensiv, dass sich Pirmen am liebsten geduckt und irgendwo untergetaucht wäre. »Verzeih«, sagte er leise.
    »Ja, ja, schon gut.«
    Sie erreichten ihren Wegführer. Gibling sah ihnen entgegen, rieb sich die Hände und lächelte. Die weit vorragenden und übergroßen Schneidezähne verstärkten noch den Eindruck, einem Nagetier gegenüberzustehen.
    »Ah, meine Freunde, meine guten Freunde! Ihr müsst also … verlegt werden?«, sagte Gibling im Akzent des Landes Lirballem.
    »Ganz richtig, Herr Gibling«, antwortete Rudynar Pole mit ebenso lauter Stimme wie sein Gesprächspartner.
    »Und ihr habt die notwendigen Unterlagen für die Passage nach Griam bei euch?«
    »Einen Teil davon habe ich dir bereits gezeigt.« Der Hohe Herr rieb die Finger übereinander, die Geste für ein Schmiergeschäft. »Den Rest bekommst du zu sehen, wenn ich es für notwendig erachte.«
    »Dann wäre es wohl am besten, wenn wir gleich losgehen. Wenn ich bloß nicht so einen Durst hätte.«
    »Mein Freund hier wird dafür sorgen, dass du uns nicht umkippst.«
    »Sehr schön, sehr schön.« Gibling drehte sich um und trottete vornweg, ohne sich darum zu kümmern, ob sie ihm folgten oder nicht.
    »Halte stets einige Schritte Abstand«, raunte der Hohe Herr Pirmen zu. »Gibling ist wie eine Natter, die jederzeit zubeißen kann.«
    Pirmen nickte und tat, wie ihm geheißen. Rudynar Pole ging einen Schritt vor ihm, wie ein Prellbock, um ihn, den Kleineren, vor allen Gefahren zu schützen. Er gab sich dabei ganz entspannt und locker, doch Pirmen erkannte die Zeichen der Nervosität bei seinem Begleiter.
    Ein Meer aus Zelten erstreckte sich entlang des Palisadenzauns. Gibling ließ sich zurückfallen, um den Abstand zu den beiden anderen zu verringern, und warf Pirmen einen Blick über die Schulter zu. »Wie war das noch mal mit dem Habanea?«, fragte er. »Du kannst es tatsächlich zubereiten?«
    »Ich bin mir nicht ganz …« Pirmen stockte, als ihm der Hohe Herr einen grimmigen Blick zuwarf, dann erklärte er mit möglichst

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