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Der Gottbettler: Roman (German Edition)

Der Gottbettler: Roman (German Edition)

Titel: Der Gottbettler: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marcus Thurner
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unterwegs gewesen war, hatte sich Pirmen in seine Einsamkeit zurückziehen können. Doch nun, da sie gemeinsam reisten, gab es kein Ausweichen mehr. Rudynar Pole stand für das Chaos des Lebens, für die Unordnung, die ein gut ausgebildeter Magicus stets verachtete.
    Die Siedlungen entlang der Straße wurden größer und besser bewehrt. Da und dort zeigten sich Spuren des Eroberungsfeldzuges Metcairn Nifes, doch sie waren allmählich verblassende Erinnerungen an Kämpfe, die hier vor längerer Zeit getobt haben mussten. Wehr- und Straßenschäden waren ausgebessert, die Versorgungswege instand gesetzt worden.
    Menschen umlagerten einen fahrenden Händler, der unmittelbar neben dem Pfad Richtung Colean seine Waren feilbot. Huren wanderten auf und ab, ihr Fleisch schamlos zur Schau stellend, stets auf der Suche nach Freiern, bewacht und kontrolliert von schmierigen Gestalten, die sich an einem in die Gegend gestellten Tisch dem Würfelspiel hingaben. Ein Schmied lobpreiste seine Waren, sein Geselle hieb mit dem schweren Hammer auf ein glühendes Stück Metall ein. Ein Scharlatan bewarb sein Wunderwasser, das angeblich gleichermaßen gegen Haarausfall und Warzen half, ganz zu schweigen von den angenehmen Nebenwirkungen wie eine Stärkung der Liebeskraft. Mehrere Akrobaten tänzelten nebenher; sie wollten die Passanten dazu überreden, dem unweit gelegenen Unterhaltungszelt einen Besuch abzustatten, um zwei Hoboken gegeneinander kämpfen zu sehen …
    »Da ist die Stadt«, sagte Rudynar Pole überflüssigerweise und deutete auf eine Reihe übermannshoher Pfähle am Horizont. »Ab nun müssen wir mit verstärkten und genaueren Kontrollen rechnen.«
    »Das bedeutet?«
    »Das bedeutet, dass wir deine Barschaft angreifen müssen. Unter all diesen Strauchdieben wird sich wohl einer finden, der sich bestechen lässt.«
    »Trotz des strengen Regimes, das Metcairn Nife angeblich führt? Müssen diese Lumpen denn nicht mit der Todesstrafe rechnen, wenn sie dem Feind helfen?«
    »Für ausreichend Mau vergessen diese Lumpen jedwedes Risiko. Es hat seinen Grund, warum sie bloß die Uniform mit der silbernen Faust tragen und nicht diejenige mit dem goldenen Emblem.«
    »Wie willst du den Richtigen für dein Vorhaben finden?«
    Der Hohe Herr grinste freudlos. »Glaub mir, ich weiß ganz genau, wonach ich suchen muss. Leute mit verschwommenen Augen, roten Nasen und torkelndem Gang. Säufer und solche, die mit Rauschmitteln zu tun haben.«
    Also deinesgleichen, dachte Pirmen. Er tat gut daran, den Mund zu halten. Rudynar Pole war niemand, der Kritik vertrug. »Du solltest dich beeilen, die richtigen Leute zu finden.« Er nickte in Richtung Palisadenzaun und der beiden Tore, vor denen sich Warteschlangen gebildet hatten. Soldaten des Gottbettlers wiesen jedermann zurecht, der sich vordrängeln wollte.
    »Keine Bange, kleiner Herr.«
    Mehr hatte Rudynar Pole nicht zu sagen. Er war von einer düsteren, unnahbaren Ruhe umgeben, während sie sich immer mehr einem der Tore näherten, vor dem Soldaten genau kontrollierten und Papiere überprüften.
    Aber ich habe nun mal Angst! Seit ich die Magischen Türme verlassen habe, musste ich mich mit widerwärtigen Gestalten herumschlagen und immer wieder Demütigungen hinnehmen. Man hat mich wegen meiner geringen Körpergröße verhöhnt, weil meine Nase zu groß ist, meine Stimme zu hoch, mein Auftreten ungelenk. Ich verstehe das alles nicht … Warum legt es alle Welt drauf an, mir weh zu tun und mich zu beleidigen?
    Pirmen kannte die Antwort auf diese Frage nur zu gut: Die Wesen des Weltenkreises, allen voran die Menschen, fühlten oder erahnten seine Andersartigkeit. Sie wussten, dass er nicht wie sie war und tief in ihm drin Kräfte steckten, die ihnen gefährlich werden konnten.
    »Das Geld«, drängte Herr Rudynar Pole.
    Pirmen förderte zehn Silberne Mau zutage und gab sie so unauffällig wie möglich seinem Begleiter.
    »Das könnte reichen«, sagte der Hohe Herr, ohne die Münzen zu zählen. »Warte hier.« Er drängte aus den Reihen der Wartenden hervor. Soldaten des Gottbettlers musterten ihn missmutig, ließen den Mann, der ihre Uniform trug, aber passieren. Er verschwand aus Pirmens Blickfeld und tauchte dann weiter vorn wieder auf, dort, wo sich die meisten Söldner des Gottbettlers zusammengerottet hatten und ihre Hände über den Flammen eines fröhlich prasselnden Feuers wärmten.
    Pirmen wurde vorwärtsgeschoben, und je näher er den Palisaden kam, desto beengter fühlte er sich.

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