Der Gottbettler: Roman (German Edition)
Rücken, und dieser Gedanke erschien ihnen wie eine Last, die sie in wenigen Augenblicken ablegen durften, um erleichtert durchzuatmen. Das Grau, das der Gottbettler und seine Truppen verbreiteten, hatte sie während der letzten Tage verfolgt und ihnen gehörig aufs Gemüt geschlagen. Doch nun verblasste es allmählich.
Sie stiefelten die Anhöhe empor. Von oben aus bot sich ihnen eine prachtvolle Aussicht, auf jene Ebene, die nur noch vom Ozean, von Felsen und den Klippen begrenzt war, an denen die Steilstädte klebten. Hinter ihnen zeigte sich der helle Lichterschein der Grenzstadt Colean, in dem sich einstmals Volk aus drei Nationen getroffen hatte, um friedlichen Handel zu treiben. Auch jetzt hätte man glauben können, alles wäre in Ordnung und die Feuer rings um die Palisaden der Stadt wären bloß weitere Farbtupfen. Doch das Grau, das wie eine dünne Nebelschicht über den Bauten lag, belehrte sie eines Besseren. Colean war eingenommen worden, war vom Gottbettler bezwungen und in jeglicher Hinsicht besetzt worden.
»Das Schlimmste liegt hinter uns«, sagte Pirmen. »Bei den Göttern, was bin ich froh.«
Ein Schatten fiel aus dem Baum links von ihnen und wurde von anderen Gestalten verfolgt. Von Menschen und Zwergen und einem Nachtkrappen, der seine Krallenflügel weit ausbreitete.
Pirmen wollte zu seiner Waffe greifen, doch etwas hinderte ihn daran. Es war eine Stimme, die lauter und lauter wurde. Das Wesen, eine Parvenide, schrie ihm seine Verachtung und seine Wut entgegen, und er fiel auf die Knie, all seiner Kräfte beraubt, und war bereit zu sterben.
Gibling trat an seine Seite und fiepte: »Du hättest mir das Habanea machen sollen, du Scheißkerl! Du Scheißkerl!«
Er hielt mit einem Mal ein Messer in der Hand, mit unterarmlanger Klinge, hob es weit in den dunklen Himmel und stach dann zu. Einmal, zweimal, wieder und immer wieder, in wilder Raserei.
Pirmen fühlte den ersten Stich in seinem Hals. Der zweite erwischte ihn an der rechten Hand. Hiebe trafen ihn von allen Seiten. Mit der flachen Klinge geführt, aber auch so, dass die Schneide tief in sein Fleisch eindrang. Pirmen nahm den Schmerz nicht mehr wahr. Er blickte auf die tiefen Wunden in seinen Beinen und auf einen halb abgehackten Arm, der wie ein Fremdkörper von seiner Schulter baumelte. Er stürzte zu Boden und kam auf dem Rücken zu liegen. So, dass er den Halbmond über sich scheinen sah, übergroß und von einem roten Hof umgeben.
Der morgige Tag versprach schönes Wetter, aber nicht mehr für ihn.
9. Die Eroberung der Steilstadt
Ruhig, Mimar.« Der Hengst ließ sich kaum bändigen. Doch diesmal war es nicht eine bevorstehende Schlacht, die ihn nervös machte, sondern der Trupp sich nähernder Magicae, allen voran deren Oberhaupt, Nontwede, hinter vorgehaltener Hand auch Humpelarsch genannt.
Metcairn Nife unterdrückte ein Grinsen. Nontwedes verkürztes linkes Bein ließ die breiten Fettbacken seines Hinterns mit jedem Schritt weit zur Seite quellen. Quatsch, quatsch. Der Magicus konnte die Unförmigkeit seines Leibes trotz des weiten und langen Mantels, den er trug, nicht verbergen, zumal sein Oberkörper schmal und die Beine spindeldürr waren.
»Du musst sie büßen lassen!«, sagte Nontwede statt einer Begrüßung. »Die Bewohner Poitreas verdienen einen Denkzettel, an den sich noch ihre Urenkel erinnern sollen.«
»Ich urteile erst, nachdem ich weiß, was vorgefallen ist«, sagte Metcairn Nife reserviert. Er stieg vom Pferd und stand dem Magicus daraufhin von Angesicht zu Angesicht gegenüber. Ein Knecht nahm die Zügel und führte das Schlachtross in den Stall, nun, da das Tier seinen Auslauf bekommen hatte.
»Mirem Zaug war ein unendlich wertvoller Magicus«, sagte Nontwede. »Er hatte das Zeug, eines Tages meine Rolle auf der Burg einzunehmen.«
»Ach ja? Ich meine, mich erinnern zu können, dass du dich wenige Tage vor seinem Abschied recht abfällig über ihn geäußert hast. Er sei ein Schmarotzer, viel zu gierig, und wolle dir deinen Platz streitig machen.«
»Du begibst dich auf gefährliches Terrain, Heerführer.« Nontwede kniff die Augen zusammen. »Ich kenne kein anderes Wesen im Heereszug, das ich nach derartigen Worten am Leben lassen würde.«
»Nur, weil ich dir die Wahrheit offen ins Gesicht sage, Magicus?«
»Du bezichtigst mich der Lüge, Metcairn Nife!«
»Ich bezichtige dich der Falschheit, Nontwede. Mirem Zaug war weder dein Freund, noch bist du sonderlich gut mit ihm ausgekommen.«
»Er war
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