Der Gottesschrein
Gummibaum das Grab des Königs Kaleb, in dessen Krypta Makedas sagenhafter Schatz verborgen sein soll. Die gewaltigen monolithischen Stelen der Könige recken sich in den tiefblauen Himmel. Und vor der allerheiligsten Kathedrale Maryam Tseyon steht der steinerne Thron Israels, wo er selbst zum Neguse Negest gesalbt worden ist.
Zara Yakob wendet sich zu seinen Kriegern um.
Sein prächtig aufgezäumtes schwarzes Schlachtross wird herangeführt und in die Knie gezwungen, damit der Kaiser aufsteigen kann. Dann springt das Pferd auf, wirft schnaubend den Kopf hoch und tänzelt aufgeregt, kleine Staubwolken aufwirbelnd, als der Neguse Negest mit weittragender Stimme ruft: »Ich bin der Sohn Davids, der Sohn Salomos, der Sohn Meneliks!«
Ein Triumphschrei aus tausend Kehlen weht ihm entgegen. Die Gesichter der Krieger glühen im Licht des wahren Glaubens und der Gewissheit, dass Gott der Allmächtige seinem Gesalbten den Sieg schenken wird.
»Seht die heilige Lade!«, ruft der Kaiser und deutet auf das Manbar, das der Wächter, der den neugierigen Wiedehopf verscheucht hat, wieder verhüllt. »Spürt die Gegenwart des allmächtigen Gottes! Der Herr kämpft an unserer Seite. Er wird uns, seinem auserwählten Volk, den Sieg über die Ungläubigen schenken, deren Heer so mächtig und unbezwingbar scheint wie die Mauern von Jericho stark und unüberwindlich schienen. Doch mit Gottes Hilfe hat Yoshua die Mauern von Jericho zum Einsturz gebracht. Er hat Jericho erobert. Wie Yoshua werden wir siegen!«
Die äthiopischen Krieger schlagen mit den Schwertern dröhnend auf ihre Schilde, die mit Zebrafell bespannt sind, und stimmen ein ohrenbetäubendes Geschrei an. Ein Bogenschütze sendet einen Pfeil in den Himmel. Zwischen den Speeren, die wie Schilfrohr im heißen Wind schwanken, fällt er wieder zu Boden.
Sobald wieder Ruhe herrscht, weht von der anderen Seite des Schlachtfeldes der muslimische Schlachtruf herüber. Offenbar ermutigt auch Sultan Bedlay seine Krieger nach dem gemeinsamen Gebet zu Allah durch eine flammende Rede.
»Gott der Allmächtige hat einen Bund mit uns geschlossen!«, ruft der Gesalbe des Herrn. »Sein Sohn Iyasus Christos ist auf unserer Seite und hält schützend seine Hand über uns, die wir im Zeichen des Kreuzes kämpfen! Und doch werden einige von euch, vielleicht auch ich selbst, diesen Tag nicht überleben. Besiegt eure Furcht! Dann werdet ihr auch euren Tod besiegen! Amen.«
Mit einem gewaltigen Schrei aus hunderttausend Kehlen setzt sich das übermächtige Heer von Sultan Bedlay in Bewegung.
Der erste Angriff bricht wie ein Sturm über die Christen herein. In einer weiten, sichelförmigen Schlachtformation galoppieren die muslimischen Reiter mit einem »Allahu akbar – Gott ist groß!« die Hügel herab auf das Schlachtfeld.
Staubwolken wirbeln in den tiefblauen Himmel hinauf und verhüllen die Sonne mit einem ockerfarbenen Schleier.
Nur das Donnern der Hufe der muslimischen Pferde und das Dröhnen der großen Kriegstrommeln ist zu hören. Angespannt beobachten die Krieger des Kaisers, wie sich die Muslime mit gesenkten Lanzen und gezückten Schwertern schnell nähern.
»Für die Freiheit! Für den wahren Glauben! Und für Ruhm und Ehre! Folgt mir in die Schlacht!« Zara Yakob wendet sein aufgeregt tänzelndes Schlachtross und stürmt, gefolgt von seinem treuen Gefolgsmann Konstantin, dem Feind entgegen.
Auch die Äthiopier senken ihre Lanzen. Als sie auf das Schlachtfeld stürmen, schwirrt ein Hagel von Tausenden Pfeilen auf sie nieder. Viele werden getroffen und stürzen schreiend von ihren galoppierenden Pferden.
»Haltet die Formation!«, brüllt ein Offizier, als eine weitere Salve auf die Männer niedergeht und viele in den Tod reißt. »Lasst den Feind nicht unsere Reihen durchbrechen! Achtet auf die Elefanten! Kommt ihnen nicht zu nahe, sonst werden sie euch niedertrampeln!«
Das Heer der Muslime droht die Gefolgsleute des Kaisers mit einer weit ausgreifenden Schwenkbewegung einzuschließen und zu vernichten.
Mit gewaltigem Kampflärm prallen die Heere in einem Gewühl aus Pferden, Maultieren, Dromedaren und Kriegselefanten aufeinander. Reiter stürzen, überschlagen sich, bleiben reglos liegen und werden zerschmettert, als sich ihre Pferde schrill wiehernd aufbäumen und, von Pfeilen und Lanzen getroffen, ebenfalls zu Boden gehen. Fahnen mit den Symbolen von Kreuz und Halbmond fallen flatternd in den aufwirbelnden Staub und werden zertrampelt. Schwerter blitzen auf und
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