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Der Gottesschrein

Der Gottesschrein

Titel: Der Gottesschrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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dessen Feinden in Mekka bedroht wurden.« Er lächelt matt. »Doch wer schert sich schon um das Wort des Propheten?«
    »Sultan Bedlay offenbar nicht«, meint Arslan trocken.
    »Nein. Er hat uns den Krieg erklärt. Aber wir werden ihn besiegen, denn Gott ist auf unserer Seite.«
    »Wie kannst du so sicher sein?«, frage ich. »Kämpft er nicht auch mit dem Schlachtruf ›Allahu akbar‹ auf seinen Fahnen?«
    »Wir sind von Gott erwählt worden, wie einst das Volk Israel. Wir sind gesegnet, wie Salomo von Israel einst seinen äthiopischen Sohn Menelik segnete, den ersten Neguse Negest, der seiner Mutter Makeda auf den Thron folgte. Die Bibel berichtet, wie Königin Makeda mit ihrem Gefolge König Salomo besuchte, dessen Weisheit sie tief beeindruckte. Die Legende besagt, dass Salomo den verborgenen Gottesnamen kannte.«
    Alessandra krault liebevoll den Löwen, der nun mit wohlig geschlossenen Augen über ihrem rechten Knie hängt, und betrachtet die hebräische Inschrift auf dem Amulett an ihrem Hals. Als sie bemerkt, dass ich sie ansehe, erwidert sie meinen Blick und nickt fast unmerklich.
    »›Und sie kam zu Salomo und redete mit ihm über alles, was in ihrem Herzen war‹«, zitiert Solomon aus dem Ersten Buch der Könige. »Die beiden verliebten sich ineinander. Als Makeda schließlich nach Aksum zurückkehrte, trug sie Salomos Sohn unter dem Herzen. Dieser Menelik Ebna Hakim, ›der Sohn des Weisen‹, ist der Begründer der salomonischen Dynastie. Unser Nationalepos, das Kebra Negest, berichtet, wie Menelik als junger Prinz seinen Vater in Jerusalem besuchte. Als er zurückkehrte, um den Thron zu besteigen, brachte er die Lade des Gottesbundes von Jerusalem nach Aksum.«
    Schweigen.
    Mein bestürzter Blick huscht von Solomon zu Alessandra, die mich fassungslos ansieht. David guckt aufmerksam hoch.
    »Die Bundeslade ist in Aksum?«, fragt sie mit bebender Stimme.
    »Ich habe sie mit eigenen Augen gesehen.« Solomon deutet auf das verhüllte Tabot, vor dem die Priester am anderen Ende des Saals wie berauscht tanzen. »Das Tabot ist eine Nachbildung der Lade.«
    »Der Lade aus Akazienholz und Gold, in die Moses die Gesetzestafeln legte?«, frage ich. »Die Yoshua um die Mauern von Jericho tragen ließ, bevor er die Stadt eroberte? Die David nach Jerusalem holte und die Salomo im Tempel aufstellte?«
    »Die meine ich.«
    »Aber ich dachte, die Lade sei seit der Eroberung von Jeruschalajim durch die Babylonier verloren.«
    »Nein, Yared, sie ist nicht verloren.« Solomon schüttelt den Kopf. »Die Lade von Zion befindet sich seit zweitausendfünfhundert Jahren in Aksum.«

· Intermezzo ·
    In der Nähe von Aksum
    Fasika, 2. Miyazya 6945
    Nach dem Beben

    Sobald das dröhnende Donnern verstummt ist und die gewaltigen Erdstöße nachgelassen haben, richtet sich Zara Yakob, noch immer am ganzen Körper zitternd, auf. Um ein Haar wäre er in eine der Erdspalten gestürzt und lebendig begraben worden.
    Der byzantinische Mamelucke reicht dem verwundet vom Pferd gestürzten Kaiser die Hand und hilft ihm auf, sodass er Sultan Bedlay gegenübertreten kann. Zara Yakob blickt an sich herunter. Sein Gewand ist staubig, zerfetzt und rot von Blut.
    Der Sultan von Adal, der sein Schwert trotz des schweren Bebens nicht verloren hat, folgt seinem Blick mit undurchdringlicher Miene. »Ein glänzender Sieg«, murmelt er schließlich. Dann blickt er zum Himmel empor. Tränen funkeln in seinen Augen – als sei ihm während des Bebens der aufgewirbelte Staub in die Augen gedrungen. Eine dichte Staubwolke verhüllt die Sonne – es ist so dunkel wie bei einer Sonnenfinsternis. Der untergehende Halbmond leuchtet rot wie Blut.
    Der Erwählte Gottes strafft seine Haltung.
    »Was nun?«, fragt Bedlay mit verkniffener Miene. Seine Faust ballt sich um den Griff des Schwertes, mit dem er dem Kaiser den Todesstoß versetzen wollte.
    Erschüttert betrachtet Zara Yakob das aufgewühlte Schlachtfeld, das aussieht wie ein weites Feld offener Gräber, die noch nicht zugeschüttet sind. Der Anblick stimmt ihn traurig. Sein Herz krampft sich schmerzhaft zusammen. Dann sieht er seinem Todfeind ins Gesicht. »Kennst du Al-Fil, die hundertfünfte Sure?«
    »Die Sure des Elefanten, dem Propheten – Allahs Frieden über ihn! – geoffenbart zu Mekka?«, fragt Bedlay und wirft einem seiner schwer verletzten Kriegselefanten einen bedauernden Blick zu. Das Beben hat die Schlacht beendet, der Kampfeslärm ist verhallt. »Ja, ich kenne sie.« Er nickt und

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