Der Gottesschrein
steigen in mir auf.
Bewaffnete mit blitzenden Schwertern, die mit Gewalt in das Haus meines Vaters in Gharnata eindrangen … in den Innenhof unterhalb der Galerie stürmten … zwischen den Rosenbüschen meinen Vater erschlugen … meine Mutter, die neben ihm in einer Blutlache kniete und trotz der Gefahr nicht von seiner Seite wich, während er in ihren Armen sein Leben aushauchte … meine Brüder, die sich verzweifelt gegen die Übermacht verteidigten … die furchtbaren Schreie meiner Schwestern … ein unerhört verhallender Ruf zum Allerhöchsten, er möge sich erbarmen, doch vergebens … ein atemlos geflüstertes Schma Israel … und das Blut, das viele Blut … Ich war bis auf die Haut nass von ihrem Blut, als ich vergeblich versuchte, sie ins Leben zurückzuholen …
Uthman, der mich besorgt beobachtet, legt mir eine Hand auf die Schulter. »Du hast recht, Yared. Es darf kein Blutvergießen geben. Möge Allah schützend seine Hand über dich halten!«
Ich winke den Befehlshaber meiner Leibwache zu mir.
Arslan ist achtundzwanzig, ein junger Tscherkesse aus dem Kaukasus mit schulterlangem goldblondem Haar und tiefblauen Augen. Er trägt einen Brustpanzer und einen Helm mit Nasenschutz – was ihm ein verwegenes Aussehen verleiht und seinem türkischen Namen ›der Löwe‹ alle Ehre macht.
Seit Sultan Jaqmaq ihn mir vor drei Jahren geschenkt hat, ist er mir treu ergeben. Bevor ich ihm seine Freiheit gab und ihn zum Befehlshaber meiner Leibwache ernannte, lebte er im königlichen Harem, gehörte Jaqmaq selbst und wurde zusammen mit dessen Söhnen erzogen – eine herausragende Stellung, die Arslan mit einem verschmitzten Grinsen schamlos ausnutzt. Nicht nur zu seinem eigenen Vorteil, sondern auch zu meinem. Denn diesem unverfrorenen Lausebengel, der selbst den Sultan lässig um den Finger wickelt, ist es zu verdanken, dass seine ›Schwester‹ Jadiya die strengen Regeln des Harems missachten kann und sich ungeniert in meinem Bett vergnügt.
Ich vertraue Arslan. Denn wenn ich sterbe und er mich nicht mit seinem Leben verteidigt hat, wird er getötet. In meinen Diensten tun sich jedoch für ihn, den privilegierten Königssklaven, die Tore zur höchsten Macht auf – er kann in der Militäraristokratie aufsteigen und eines Tages Emir werden, vielleicht sogar Sultan. Ich fördere ihn, wo ich nur kann.
In kurzen Worten erkläre ich ihm, was auf dem Turm geschehen ist, und weihe ihn in meinen Plan ein.
»Allah steh dir bei!« Besorgt blickt Arslan hinüber zum Emir, der uns noch nicht bemerkt hat. Mit einer schlichten Geste warnt er meine Mamelucken, sich auf einen Kampf vorzubereiten. Ihre Hände ruhen auf den Griffen ihrer Schwerter, während sie zwischen den Feiernden umherschlendern, um sich im Saal zu verteilen.
»Wir werden dein Leben mit unserem schützen«, verspricht mir Arslan.
»Ich will kein Massaker.«
»Yared, das wird sich nicht vermeiden lass…«
»Ich sagte, ich will kein Massaker!«, wiederhole ich ruhig und eindringlich. Meine Stimme duldet keinen Widerspruch.
Arslan nickt ergeben. »Also gut. Wie du willst!«
Uthman berührt mich am Arm, und ich drehe mich zu ihm um. »Ich bin an deiner Seite. Du wirst siegen. Insh’Allah!«
Zwischen den betrunkenen Mamelucken hindurch folgt er mir zum Vizekönig von Dimashq.
Tughan hat uns bemerkt. Er starrt mich, den Totgeglaubten, mit aufgerissenen, vom Haschischgenuss glänzenden Augen an. Als ich mich seinem Diwan nähere, scheucht er das junge Mädchen fort, das seine Hand zwischen seine Schenkel geschoben hat, um ihn sanft zu erregen. Hastig bringt er seine Kleidung in Ordnung. Verunsichert erhebt er sich. Seine zitternden Hände verbirgt er in den weiten Ärmeln seiner Djellabiya, gleichzeitig wirft er seinen Mamelucken einen Hilfe suchenden Blick zu. Doch niemand springt auf, um ihm beizustehen.
»Prinz Yared?«, murmelt er blass.
»Ich danke dir für diesen unvergesslichen Abend, Emir. Du hast dir wirklich Mühe gegeben, Prinz Uthman und mich zu unterhalten.« Ich lächele beherrscht, auch wenn meine Nerven zum Zerreißen gespannt sind. Die Situation ist sehr gefährlich und kann jeden Augenblick außer Kontrolle geraten. »Das Mahl war köstlich, der Wein hervorragend, Musik und Tanz haben mich bezaubert. Du hast wirklich keine Kosten gescheut! Sag, woher weißt du, dass ich Überraschungen liebe? Die eben auf dem Davidsturm war wirklich gelungen.«
Tughan senkt den Blick und schweigt mit verkniffenen Lippen.
Einer seiner
Weitere Kostenlose Bücher