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Der Gottesschrein

Der Gottesschrein

Titel: Der Gottesschrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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gebrochen. Mein Gott, Yared, was hast du in den sieben Jahren alles erreicht, seit du in Al-Kahira bist! Du hast eine Karriere gemacht, auf die Joseph, der Wesir des Pharaos, neidisch wäre: Hofarzt, engster Berater und vertrauter Freund des Sultans, der ihn in besinnlichen Stunden, wenn er mit ihm allein ist und ihm sein Herz ausschüttet, liebevoll ›seinen Sohn‹ nennt. Und wenn Allah unserem Vater seinen Herzenswunsch erfüllt, wirst du bald der Dawadar des Reiches und der Gemahl einer begehrenswerten Prinzessin sein, um deren Hand schon so mancher Emir angehalten hat. Unter anderen der Vizekönig von Dimashq. Die Mamelucken am Hof unseres Vaters haben den allergrößten Respekt vor dir.«
    »Weil ich mit der Tochter des Sultans schlafe und dein Vater mich gewähren lässt? Weil deine Schwester mich ungestüm in ihr Bett gezerrt hat, bevor Tughan den Sultan um ihre Hand bitten konnte?«
    »So unwillig scheinst du nicht gewesen zu sein, als sie dich verführt hat. Jedenfalls habe ich in jener Nacht keine verzweifelten Hilferufe aus ihrem Schlafzimmer gehört; du scheinst also nicht übermäßig gelitten zu haben.
    Eure Affäre dauert nun schon drei Jahre. Und obwohl Jadiya manchmal nach einem Streit mit dir in ihrem Zorn chinesische Vasen zertrümmert und persische Teppiche zerschneidet, weil sie dich nicht beherrschen kann wie die anderen Mamelucken, an denen sie sehr temperamentvoll ihre Launen auslässt, so fleht sie dich doch immer wieder an, zu ihr zurückzukehren. Und du kommst – nachdem du sie ein paar Tage hast warten lassen.«
    »Ich kann sie nicht heiraten, Uthman. Ich will es auch nicht. Wenn ich nach Rebekkas Tod noch einmal heirate, dann nur aus Liebe.«
    »Wie oft haben wir bei einem Becher Wein darüber gesprochen! Ich weiß, dass du Jadiya nicht liebst. Vater weiß es auch. Doch er hofft, dass du sie trotzdem heiratest. Schließlich genießt du es über alle Maßen, dich von ihr lieben zu lassen.«
    Ich antwortete nicht.
    »Yared, ich weiß, es ist nicht leicht, mit meiner kleinen Schwester auszukommen – sie hat das Temperament unseres Vaters geerbt. Wenn Jadiya dich nicht glücklich macht, dann hol dir zwei oder drei Geliebte in dein Bett, um mit ihnen die Freuden der Liebe zu genießen, zärtlich oder leidenschaftlich, mit einer oder mehreren gleichzeitig, ganz nach deinem Belieben. Jadiya wird nichts dagegen sagen, gleichgültig, gegen wie viele Frauen in deinem Harem sie um deine Aufmerksamkeit kämpfen muss, damit du …
    Lass mich bitte ausreden, Yared, ich bin noch nicht fertig!
    Ja, ich weiß, nach dem letzten Streit hast du entnervt deine Truhen gepackt, bist mit deinem Gefolge in deine Villa bei den Pyramiden umgezogen und hast dich geweigert, sie zu empfangen.« Uthman legte mir die Hand auf den Arm. »Sie liebt dich, Yared. Sie will dich nicht verlieren. Nie wieder.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht als jemand leben, der ich nicht bin. Ich bin kein Muslim.«
    »Und wer bist du?«, fragte Uthman sanft. »Ja, ich weiß, was du sagen wirst: ein jüdischer Rabbi und Hakim, der letzte Spross einer angesehenen Dynastie von jüdischen Gelehrten, die den Kalifen in Qurtuba und den Sultanen von Gharnata jahrhundertelang mit Rat und Tat zur Seite standen. Als Hofärzte und Wesire. Als Vorsteher der jüdischen Gemeinden. Dein berühmter Vorfahr Chasdai Ibn Shaprut war vor fünfhundert Jahren Leibarzt und Erster Ratgeber des Kalifen Abd ar-Rahman III . von Qurtuba.«
    »Chasdai ist nicht konvertiert!«, erinnerte ich Uthman. »Im Gegenteil: Er schrieb, er wolle sein hohes Amt am Hof des Kalifen mit Freude niederlegen, um dem König eines unabhängigen jüdischen Reiches zu dienen. Das war sein Traum: ein souveräner Staat Israel.«
    Und es ist nach all den Jahren noch immer mein Traum …
    »Nein, Chasdai ist nicht konvertiert«, gestand Uthman mir zu. »Sein Enkel jedoch schon – Abu al-Fadl Ibn Chasdai trat zum Islam über und wurde Großwesir.«
    »Die jüdische Gemeinde bezeichnete ihn als Verräter, der um der Macht willen seine jüdische Herkunft und seinen Glauben an den Gott seiner Väter verriet.«
    Und die Muslime haben ihn am Ende gestürzt, weil er ihnen zu mächtig wurde, fügte ich im Stillen an.
    »Also, Yared. Wer bist du?«, wiederholte Uthman seine Frage. »Heute kannst du noch Jude sein. Und du kannst als Hakim arbeiten, wenn du nur Juden behandelst. Doch ich bezweifele, dass du künftig zugleich Jude und engster Vertrauter des Sultans sein kannst, der die

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