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Der Gottesschrein

Der Gottesschrein

Titel: Der Gottesschrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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vertröstet, da hast du mehr Zeit als …«
    »Und worüber will sie mit mir reden?«
    »Das hat sie mir nicht gesagt. Aber ich werde es herausfinden, wenn du es wünschst. Ich habe sie heute Abend zum Schabbatessen eingeladen.«
    »So.«
    Er hebt die Augenbrauen. »Eifersüchtig?«
    »Nein.«
    »Doch, und wie!«
    »Sei nicht albern, Benyamin. Ich habe Alessandra vor gerade einmal vier Stunden kennengelernt.«
    »Was dich nicht davon abgehalten hat, sie nach einem langen Blick, der mehr verspricht als nur diese eine intime Berührung, in deinem Bett schlafen zu lassen«, entgegnet er.
    »Und ich schlafe im Bett des Emirs«, erinnere ich ihn. »Allein!«
    »Keine Gespielin heute Nacht? Ist Saphira sehr enttäuscht?«
    »Benyamin!«
    »Yared, ich weiß noch genau, wie du meine Schwester damals angesehen hast, als du ihr zum ersten Mal begegnet bist. Selbstbewusste und willensstarke Frauen wie Rebekka, Jadiya oder Alessandra fordern dich heraus. Alessandra gefällt dir, nicht wahr?«
    »Ja, ich finde sie bezaubernd«, gebe ich zu.
    »Das ist sie, in der Tat.« Benyamins Augen funkeln. »Und du hast dich Herz über Verstand in sie verliebt.« Bevor ich antworten kann, fragt er: »Wenn du nicht der wärst, der du bist, Yared, Prinz von Ägypten und Vizekönig von Dimashq, würdest du sie begehren und mit ihr …?«
    Benyamin verstummt, als es klopft. Uthman öffnet die Tür und betritt mein Arbeitszimmer.
    »Yared, bitte verzeih mein Eindringen, aber hast du einen Augenblick Zeit? Der Imam der Al-Aqsa-Moschee bittet, vom Emir empfangen zu werden.«
    Als ich zustimmend nicke, bittet Uthman ihn herein. Mit einem Wink entlasse ich Benyamin, der sich hastig die Steinkugel wieder umhängt. Während er leise den Raum verlässt, erhebe ich mich, um den Imam zu begrüßen.
    »Yared, das ist Yusuf Abu Talib, der ehrenwerte Imam al-Haram ash-Sharif«, stellt Uthman mir den ›Vorsteher des erhabenen Heiligtums‹ vor. »Imam Yusuf, darf ich dich bekannt machen mit Prinz Yared ben Netanya ben Yoel ibn Chasdai Ibn Shaprut al-Gharnati, Erster Ratgeber und Vertrauter des Sultans, Vizekönig von Dimashq und, wenn er den Herzenswunsch meines Vaters erfüllt«, fügt Uthman mit einem feinen Lächeln an, »schon sehr bald Dawadar des Reiches.«
    Imam Yusuf verneigt sich vor mir. »Es-salamu alekum.«
    »W’alekum es-salam«, antworte ich.
    »Ich empfinde es als eine Ehre, von dir empfangen zu werden, und beglückwünsche dich zu deinem Amtsantritt als Emir. Allah möge schützend seine Hand über dich halten und dich und deine Söhne segnen …« Der Imam verstummt, als Uthman sich räuspert und ihm so leise, dass ich ihn gerade noch verstehen kann, zuraunt:
    »Prinz Yared hat keine Kinder.«
    Bestürzt und ein wenig verlegen wegen seines Versehens nuschelt Yusuf eine wortreiche Entschuldigung und erfleht erneut den Segen des barmherzigen Gottes – möge er mir viele Kinder schenken, liebreizende Töchter und tapfere und gelehrte Söhne, die dem berühmten und hochgeachteten Namen Ibn Shaprut alle Ehre machen.
    »Danke, Imam. Nimm Platz.«
    Umständlich ordnet er die Falten seiner Djellabiya, rafft die weiten Ärmel und macht ein großes Aufhebens darum, den imaginären Dreck von dem Sitz zu fegen, wo zuvor ein Jude gesessen hat. Als er bemerkt, dass ich ihn stirnrunzelnd beobachte, setzt er sich und hüstelt. »Prinz Uthman deutete eben an, dass du kein Muslim bist …«
    »Niemand ist vollkommen.«
    Dem Imam verschlägt es die Sprache. Doch rasch hat er sich wieder in der Gewalt. »Ich bin zu dir gekommen, Emir, weil es heute Morgen einen Zwischenfall auf dem Haram ash-Sharif gegeben hat.«
    O Gott, nein! Ich ahne, was er mir zu sagen hat …
    »Was ist geschehen?«, frage ich bestürzt.
    Er holt tief Luft und faltet die Hände. »Während des Morgengebets in der Al-Aqsa ist ein Mönch vom Berg Zion, der sich offenbar am Karfreitag zum Märtyrer machen wollte, mit einem schweren Holzkreuz über der Schulter in die Moschee eingedrungen. Er hat dort auf Lateinisch gesungen und gepredigt, dass der Prophet Issa – Allahs Frieden ruhe auf ihm! – der Sohn Gottes sei. Und dass er uns alle erlösen werde, wenn wir zum Zeichen, dass wir uns seiner Herrschaft unterwerfen, das Kreuz küssen.«
    »Allmächtiger Gott!«
    »Die Gläubigen haben diesen Irren überwältigt, an sein Kreuz gefesselt und aus der Moschee getragen. Dann haben sie den Franziskanermönch in Richtung des Gartens Getsemani über die Umfassungsmauer des Haram ash-Sharif

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