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Der Gotteswahn

Der Gotteswahn

Titel: Der Gotteswahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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verwurzelt – ganz gleich, wie stark wir intellektuell den Monismus bevorzugen. Zur Unterstützung seiner Überzeugung führt Bloom experimentelle Befunde an, wonach Kinder – und zwar vor allem sehr kleine Kinder – sehr viel stärker zum Dualismus neigen als Erwachsene. Dies lässt darauf schließen, dass eine Tendenz zum Dualismus im Gehirn vorhanden ist, und die, so Bloom, schafft eine natürliche Neigung, sich religiöse Gedanken zu eigen zu machen.
    Bloom äußert auch die Vermutung, wir besäßen eine angeborene Neigung, Kreationisten zu ein. Denn die natürliche Selektion erscheine »intuitiv sinnlos«. Besonders Kinder neigen dazu, allem einen Zweck zuzuschreiben. Das erklärt uns auch die Psychologin Deborah Keleman in ihrem Artikel »Are Children ›Intuitive Theists‹?« (»Sind Kinder ›intuitive Theisten‹?«) Wolken sind für Kinder »zum Regnen« da. Spitze Felsen haben ihre Form, »damit Tiere sich daran reiben können, wenn es sie juckt«. 90 Allem einen Zweck zuzuschreiben nennt man Teleologie. Kinder sind von Geburt an Teleologen, und manche wachsen nie heraus.
    Der angeborene Dualismus und die angeborene Teleologie schaffen in uns unter geeigneten Bedingungen eine Neigung zur Religion, genau wie der lichtgesteuerte »Kompass« der Motten in ihnen eine Neigung zum »Selbstmord« schafft. Unser angeborener Dualismus bereitet uns darauf vor, an eine »Seele« zu glauben, die kein untrennbarer Bestandteil unseres Körpers ist, sondern nur in ihm wohnt. Dass ein solcher körperloser Geist nach dem Tod des Körpers an einen anderen Ort wandert, kann man sich leicht vorstellen. Ebenso kann man sich dann eine Gottheit ausmalen, die reiner Geist ist und nicht als emergente Eigenschaft aus der Materie erwächst, sondern von ihr unabhängig ist. Und noch klarer liegt auf der Hand, dass die kindliche Teleologie in uns die Voraussetzungen für eine Religion schafft. Wenn hinter allem eine Absicht steht, wessen Absicht ist es dann? Die Absicht Gottes natürlich.
    Aber wo liegt die Entsprechung zur Nützlichkeit des Motten-Lichtkompasses? Warum sollte die natürliche Selektion den Dualismus und die Teleologie im Gehirn unserer Vorfahren und ihrer Kinder begünstigt haben? Bisher habe ich in meinem Bericht über die Theorie des »angeborenen Dualismus« einfach postuliert, dass Menschen von Geburt an Dualisten und Teleologen sind. Aber welchen darwinistischen Vorteil hat das? Für unser Überleben ist es wichtig, dass wir das Verhalten anderer Gebilde in unserer Umwelt vorhersagen können, und deshalb, so sollte man annehmen, hat die natürliche Selektion unser Gehirn so gestaltet, dass es diese Aufgabe schnell und effizient erfüllen kann. Könnten Dualismus und Teleologie uns dabei dienlich sein? Ein wenig besser versteht man diese Hypothese vielleicht, wenn man sie unter dem Gesichtspunkt dessen betrachtet, was Daniel Dennett als intentionalen Standpunkt bezeichnet hat.
    Dennett nimmt für die »Standpunkte«, die wir einnehmen, wenn wir das Verhalten von Tieren, Maschinen und allen anderen Gebilden verstehen und vorhersagen wollen, eine sehr nützliche dreifache Klassifikation vor. 91 Er unterscheidet zwischen dem physikalischen Standpunkt, dem Gestaltungsstandpunkt und dem intentionalen Standpunkt. Der physikalische Standpunkt funktioniert im Prinzip immer, weil alle Dinge letztlich den Gesetzen der Physik gehorchen. Aber vom physikalischen Standpunkt aus etwas herauszufinden kann unter Umständen sehr lange dauern. Wenn wir uns erst hinsetzen und alle Wechselbeziehungen zwischen den beweglichen Teilen eines komplizierten Gegenstandes berechnen wollen, kommen wir mit unserer Voraussage über dessen Verhalten vermutlich zu spät. Für Gegenstände, die tatsächlich gezielt gestaltet sind wie eine Waschmaschine oder eine Armbrust, ist der Gestaltungsstandpunkt eine bequeme Abkürzung. Wir können Vermutungen darüber anstellen, wie sich der Gegenstand verhalten wird, wenn wir die Physik außer Acht lassen und uns unmittelbar mit seiner Gestaltung beschäftigen. Dennett meint dazu:

    Fast jeder kann schon nach oberflächlicher äußerer Betrachtung eines Weckers voraussagen, wann er klingeln wird. Man weiß nicht oder kümmert sich nicht darum, ob er von einer Feder, einer Batterie oder dem Sonnenlicht angetrieben wird, ob er Messingzahnräder, Edelsteinlager oder Siliziumchips enthält – man geht einfach davon aus, dass er so gestaltet ist, dass er zur eingestellten Zeit ein Signal abgibt.

    Lebewesen

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