Der Gotteswahn
Gene«) hin. Zugleich nennen sie aber Gründe, warum man nicht das Wort »Mem« verwenden, sondern lieber von »kulturellen Varianten« sprechen sollte. Stephen Shennan bezog die Anregungen für sein Werk Genes , Memes and Human History (»Gene, Meme und die menschliche Geschichte«) teilweise aus einem älteren, ebenfalls sehr guten Buch von Boyd und Richerson mit dem Titel Culture and the Evolutionary Process (»Kultur und der evolutionäre Prozess«). Weitere Abhandlungen in Buchform über Meme sind The Electric Meme (»Das elektrische Mem«) von Robert Augner, The Selfish Meme (»Das egoistische Mem«) von Kate Distin und Virus of the Mind: The New Science of the Meme (»Viren des Geistes: Die neue Wissenschaft von den Memen«) von Richard Brodie.
Weiter als alle anderen jedoch trieb Susan Blackmore die Memtheorie in ihrem Buch Die Macht der Meme oder die Evolution von Kultur und Geist. Sie zeichnet immer wieder eine Welt voller Gehirne (oder anderer Behältnisse oder Schaltkreise, beispielsweise Computer oder Funkfrequenzbänder), in der Meme darum kämpfen, diese »Lebensräume« zu besiedeln. Wie bei den Genen im Genpool, so behalten auch unter den Memen diejenigen die Oberhand, die sich selbst gut vervielfältigen können. Das kann daran liegen, dass sie einen direkten Reiz ausüben – dies trifft vermutlich bei manchen Menschen auf das Unsterblichkeitsmem zu. Oder aber sie gedeihen in Gegenwart anderer Meme, die sich im Mempool bereits stark vermehrt haben. Auf diese Weise entstehen Memkomplexe oder »Memplexe«. Wie immer, wenn es um Meme geht, so gewinnen wir auch hier neue Aufschlüsse, wenn wir uns den genetischen Wurzeln der Analogie zuwenden.
Bisher habe ich die Gene aus didaktischen Gründen so dargestellt, als seien sie isolierte Einheiten, die unabhängig voneinander wirken. In Wirklichkeit sind sie natürlich nicht unabhängig, und das zeigt sich auf zweierlei Weise. Erstens sind Gene auf den Chromosomen linear hintereinander aufgereiht und wandern deshalb in der Regel in Gesellschaft ganz bestimmter anderer Gene, die benachbarte Positionen auf den Chromosomen besetzen, durch die Generationen. In der Wissenschaft bezeichnet man eine solche Verbindung als Kopplung ; ich werde mich darüber hier nicht weiter äußern, denn bei Memen gibt es weder Chromosomen noch Allele oder sexuelle Rekombination. Aber neben der genetischen Kopplung sind die Gene noch in anderer Hinsicht voneinander abhängig, und in diesem Fall gibt es bei den Memen eine gute Analogie. Es hat mit der Embryonalentwicklung zu tun, die ein ganz anderes Gebiet ist als die Genetik – eine Tatsache, die häufig nicht verstanden wird. Ein Organismus entsteht nicht wie ein Puzzle aus vielen phänotypischen Einzelteilen, die jeweils von einem bestimmten Gen beigesteuert werden. Einen Eins-zu-eins-Zusammenhang zwischen bestimmten Genen und einzelnen Aspekten von Anatomie und Verhalten gibt es nicht. Gene programmieren im Zusammenwirken mit Hunderten anderer Gene die Entwicklungsprozesse, an deren Ende der fertige Organismus steht, ganz ähnlich wie die Wörter in einem Kochrezept einen Vorgang beschreiben, der mit dem fertigen Gericht endet. Auch hier entspricht nicht jedes Wort des Rezepts einer bestimmten Kochzutat.
Gene wirken also beim Aufbau eines Organismus gruppenweise zusammen – das ist eine der wichtigsten Gesetzmäßigkeiten der Embryologie. Man ist leicht versucht zu behaupten, die natürliche Selektion würde solche Genkomplexe in einer Art Gruppenselektion gegenüber anderen Genkomplexen begünstigen. Aber das ist ein Irrtum. In Wirklichkeit stellen die anderen Gene des Genbestandes einen wichtigen Teil der Umwelt dar, in der jedes Gen im Vergleich zu seinen anderen Allelen der Selektion unterliegt. Da jedes Gen so selektiert wird, dass es in Gegenwart der anderen – die auf ähnliche Weise selektiert werden – erfolgreich ist, ergeben sich Gruppen zusammenwirkender Gene. Wir haben es hier eher mit einem freien Markt als mit einer Planwirtschaft zu tun. Es gibt einen Metzger und einen Bäcker, aber vielleicht existiert eine Marktlücke für einen Hersteller von Kerzenleuchtern. Diese Lücke wird durch die unsichtbare Hand der natürlichen Selektion geschlossen. Das ist ganz etwas anderes, als wenn eine zentrale Planungsinstanz das Dreiergespann Metzger/Bäcker/Kerzenleuchterhersteller begünstigt. Wie wir noch sehen werden, ist die Idee von zusammenwirkenden Gruppen, die von unsichtbarer Hand zusammengestellt werden,
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