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Der Gotteswahn

Der Gotteswahn

Titel: Der Gotteswahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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konservative (nicht jedoch reformierte) männliche Juden erlernen: »Gesegnet seist du, dass du mich nicht zu einem Ungläubigen gemacht hast. Gesegnet seist du, dass du mich nicht zu einer Frau gemacht hast. Gesegnet seist du, dass du mich nicht zu einem Sklaven gemacht hast.«
    Religion ist zweifellos eine spaltende Kraft, und das ist einer der wichtigsten Vorwürfe, die gegen sie erhoben werden. Allerdings wird häufig zu Recht darauf hingewiesen, dass es in Kriegen und Feindseligkeiten zwischen religiösen Gruppen oder Sekten nur in seltenen Fällen um echte theologische Meinungsverschiedenheiten geht. Wenn ein paramilitärischer Protestant in Nordirland einen Katholiken ermordet, murmelt er nicht: »Das hast du davon, du transsubstantiationistisches, marienanbetendes, weihrauchstinkendes Arschloch!« Viel wahrscheinlicher ist, dass er sich für den Tod eines anderen Protestanten rächen will, der – vielleicht im Verlauf einer Generationen alten Blutrache – von einem anderen Katholiken umgebracht wurde. Religion ist ein Etikett für Feindseligkeiten und Blutrache zwischen verschiedenen Gruppen, und in dieser Hinsicht ist sie nicht unbedingt schlimmer als andere Etiketten, beispielsweise die Hautfarbe, die Sprache oder die Lieblings-Fußballmannschaft. Allerdings steht sie oft immer dann zur Verfügung, wenn keine anderen Etiketten infrage kommen.
    Ja, ja, natürlich handelt es sich in Nordirland um politische Probleme. Es stimmt, dass die eine Gruppe von der anderen wirtschaftlich und politisch unterdrückt wurde, und das Ganze reicht Jahrhunderte zurück. Es gibt echte Missstände und Ungerechtigkeiten, und die haben offensichtlich kaum etwas mit Religion zu tun; nur – und das ist wichtig und wird allgemein übersehen – gäbe es ohne die Religion keine Etiketten, anhand derer man entscheiden könnte, wen man unterdrückt und an wem man sich rächt. Und das eigentliche Problem in Nordirland besteht darin, dass solche Etiketten über viele Generationen vererbt wurden. Katholiken, deren Eltern, Großeltern und Urgroßeltern katholische Schulen besucht haben, schicken ihre Kinder ebenfalls auf katholische Schulen. Protestanten, deren Eltern, Großeltern und Urgroßeltern protestantische Schulen besucht haben, schicken ihre Kinder ebenfalls auf protestantische Schulen. Beide Gruppen haben die gleiche Hautfarbe, sie sprechen die gleiche Sprache, sie haben Spaß an den gleichen Dingen, und doch könnten sie ebenso gut zu verschiedenen biologischen Arten gehören, so tief ist die historische Kluft zwischen ihnen.
    Ohne Religion und religiös getrennte Erziehung wäre eine solche Kluft einfach nicht vorhanden. Die verfeindeten Stämme hätten sich durch Eheschließungen längst vermischt und aufgelöst. Vom Kosovo bis nach Palästina, vom Irak bis in den Sudan, von Nordirland bis zum indischen Subkontinent sollte man sich alle Regionen mit unüberwindlicher Feindschaft und Gewalt zwischen verschiedenen Gruppen einmal genau ansehen. Ich kann nicht dafür garantieren, dass Religionen immer das beherrschende Etikett für freundliche und feindliche Gruppen sind. Aber die Wahrscheinlichkeit ist groß.
    Zu der Zeit, als der indische Subkontinent aufgeteilt wurde, starben mehr als eine Million Menschen bei religiösen Konflikten zwischen Hindus und Muslimen (und 15 Millionen weitere wurden aus ihrer Heimat vertrieben). Außer der Religion gab es kein anderes Kennzeichen, nach dem entschieden wurde, wen man umbringt. Letztlich waren die Menschen durch nichts anderes getrennt als durch die Religion. In jüngerer Zeit veranlassten weitere blutige Religionskonflikte den Schriftsteller Salman Rushdie dazu, einen Artikel mit der Überschrift »Wie immer ist die Religion das Gift im Blute Indiens« zu schreiben. Sein letzter Absatz lautet:

    Was gibt es daran noch zu respektieren, oder an all den Verbrechen, die heute nahezu täglich rund um die Welt im gefürchteten Namen der Religion begangen werden? Wie gut und mit welchen tödlichen Folgen errichtet die Religion ihre Denkmäler, und wie gern sind wir bereit, für sie zu morden! Und wenn wir es nur oft genug getan haben, macht die Abtötung des Mitgefühls, die damit einhergeht, eine Wiederholung immer einfacher.
    So erweist sich Indiens Problem als das Problem der ganzen Welt. Was in Indien geschehen ist, ist im Namen Gottes geschehen. Das Problem hat einen Namen: Gott. 111

    Ich bestreite nicht, dass die starke Neigung der Menschen, innerhalb der Gruppe loyal und nach

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